Werbung – Rezensionsexemplar
Wir sind schließlich wer
von Anne Gesthuysen
Gebundene Originalausgabe, 416 Seiten
ISBN 978-3-462-05408-8
Erschienen am 4. November 2021 bei Kiepenheuer & Witsch (Werbung)
Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.
„Landadel verpflichtet.
Von einer jungen Pastorin am Niederrhein, die ihre Gemeinde aufmischt, vom Aufwachsen zweier ungleicher Schwestern in Adelskreisen und vom Mut, den es braucht, ein Leben selbst zu gestalten, wenn alles vorherbestimmt scheint. Die Bürger der Gemeinde Alpen sind skeptisch, als Anna von Betteray die Vertretung des erkrankten Pastors übernimmt. Schließlich ist sie geschieden, blaublütig, mit Mitte dreißig viel zu jung für den Posten und eine Frau. Der einzige Mann an ihrer Seite: ihr Hund Freddy. Während Anna versucht, ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit zu bewältigen und die Gemeinde behutsam zu modernisieren, gerät das Leben ihrer Schwester Maria komplett aus den Fugen. Ihr Mann wird verhaftet, kurz darauf verschwindet auch noch ihr Sohn. Ausgerechnet sie, die in den Augen der standesbewussten Mutter die Vorzeigetochter war, die auf Schützenfesten zur Königin gekrönt wurde und einen Grafen heiratete, während Anna mit schmutzigen Hosen im Stall spielte und sich in die falschen Männer verliebte. Erst in der Not überwinden die Schwestern ihre Gegensätze – und erhalten Unterstützung von überraschender Seite. Denn wenn es darum geht, einen kleinen Jungen zu finden, halten die Alpener fest zusammen. Und allen voran: Ottilie Oymann aus dem Seniorenstift Burg Winnenthal!“
Verlagstext
Von der Autorin habe ich im Herbst 2020 den Roman Wir sind doch Schwestern, der mir sehr gut gefallen hat, gekauft. Diese Neuerscheinung wurde mir vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt und ich habe ich mich aufs Lesen gefreut. Leider habe ich mich mit dem aktuellen Roman von Anne Gesthyusen etwas schwer getan. Die Rahmenhandlung führt durch das Buch und trägt den Roman durchaus.
Was stört mich an der Geschichte?
Entweder habe ich ganz viel über das reale Leben am Niederrhein gelernt oder die Autorin, die vom Niederrhein kommt, übertreibt etwas arg. So extreme Klatschweiber, wie in Alpen leben sollen, kann ich mir mit meiner norddeutschen Seele nicht vorstellen.
Auch das hier ein Schnaps, da ein Schnaps bei jeder Gelegenheit ist mir fremd, aber vielleicht gehört das alles zu meinem Lernfeld. Kläre mich bitte auf, wenn Du das Buch gelesen hast und Menschen aus der Gegend persönlich kennst.
Insgesamt sind mir die ernsten Ereignisse wie Fehlgeburten, Seitensprünge, Gewalt, Entführung, Alkohol- und Tablettenabhängigkeit, aus Standesdünkel geschlossene Ehen, eine zusammenbrechende Familie und Finanzbetrug zu stark in Slapstick eingebunden.
Für meinen Geschmack ist einfach alles ein bisschen drüber: zu viel Mutter-Tochter-Schwester-Klischee, bisschen viele (fast) Ohnmachten und Unterzuckerungen und der Hund ist natürlich auch noch ein (fast) Therapiehund …
Warum ist das Buch dennoch ein Lesetipp?
„Konnte sich überhaupt jemand frei entscheiden, ohne Zwang oder Druck, ohne die Eltern als Modell oder Antimodell für das eigene Leben zu nehmen?
Gedanken von Anna auf Seite 175
Die Fragen, wie sehr man sich von seiner Herkunft wirklich entfernen kann und was die Herkunft einem ins Leben mitgibt, treiben mich immer wieder um. Gerade Geschwister gehen oft trotz maximal ähnlichem Gen-Mix so unterschiedliche Wege, das nicht alles zu erklären ist. Das finde ich spannend.
„“Jeder nimmt ein Päckchen von zu Hause mit in die Welt“, sinnierte Tante Ottilie weiter. „Der eine findet Proviant darin, der andere Ballast.““
Seite 367
Was für ein Päckchen hast Du von zu Hause mitbekommen?
Mich interessiert Deine Meinung zu dem Roman, wenn Du ihn gelesen hast. Hast Du die Geschichte mit einem anderen Empfinden gelesen als ich oder ging es Dir ähnlich? Das ist für mich wichtig zu erfahren, denn es fällt es mir schwer, für ein Buch nur drei Sterne zu vergeben, was von einer bekannten Autorin in einem renommierten Verlag erschienen ist, von der mir ein anderer Roman gefallen hat.
Bei solchen Büchern frage ich mich immer, wenn sie mir nicht so gut gefallen haben, ob ich sie in einer falschen Stimmung gelesen habe oder ob meine Einschätzung von anderen geteilt wird.
13 Antworten auf „Lesetipp *** Adel verpflichtet, Familie noch mehr und beides schützt vor nichts“
Guten Morgen liebe Ines,
aaaalso, ich habe mal für einige Jahre in Aldekerk gewohnt (da hatte ich als junge Frau „meine erste eigene Bude“ und das ist ca. 20 km. von Alpen entfernt. Ich kenne auch Alpener. Und nein, dort leben Menschen, wie Du und ich, das Buch scheint wirklich sehr überzogen zu sein 😉 Vielleicht sollte ich es tatsächlich mal lesen, bin nun neugierig geworden.
Hab einen schönen Donnerstag!
Liebe Grüße vom Niederrhein ;-)))) sendet LONY x
Wenn Du es liest, lass mich BITTE wissen, ob Du die Menschen aus der Gegen darin erkennst oder nicht.
Echte Biografien von für mich interessanten Menschen lese ich gern. Da steckt für mich richtiges Leben drin.
Familien-Romane müssen für mich schon besonders glaubhaft geschrieben sein, damit ich „anbeiße“. Leider klingt Deine Buchbeschreibung nicht so und ich denke, das Buch ist nichts für mich.
Päckchen haben wir sicher alle mitbekommen von unserer Ursprungsfamilie und als Eltern sicher auch welche weitergegeben an unsere Kinder. Dass sie nur Probleme oder nur Ballast enthalten, finde ich nicht. Es können auch durchaus „Survival-Päckchen“ dabei sein, die das Leben erleichtern. Jedenfalls war das bei mir so und ich hoffe, dass das bei meinen Kindern auch so ist.
Familiengeschichten sind Menschheitsgeschichten, insofern hat Dein vorgestelltes Buch natürlich absolut seine Berechtigung und findet hoffentlich viel interessierte LeserInnen.
Herzlich, Sieglinde
Ich bin mir sicher, dass das Buch für Dich nichts ist.
Zum Zitat von Seite 367 mit dem Päckchen: Da war heute früh leider ein Tippfehler von mir drin – Probleme anstatt Proviant – ist jetzt korrigiert. Es heißt korrekt
Dein Gedanke geht also genau in der von Tante Ottilie 🙂 . Denn Proviant kann ja ein “Survival-Päckchen” sein. Ich denke auch, dass die meisten Menschen beides bekommen – der eine mehr von dem, der andere mehr vom anderen.
Liebe Ines,
Ich bin der Meinung, es ist absolut ok, etwas nicht okay zu finden. Auch wenn du das Buch vorher mochtest. Ich mag ehrliche Rezensionen und du schreibst ja deutlich, was dir nicht gefiel, ohne dass du da Buch zerreißt.
Ich bin nicht sicher, ob das Buch etwas für mich ist.
Aber ich verstehe deine Ambivalenz- mir geht es gerade mit einem Buch genauso.
Und ja, jeder hat sicher das eine oder andere Päckchen dabei- Sieglinde beschreibt es sehr schön.
Und auch schwerere Päckchen können am
Ende leichter werden, weil man dabei auch lernen kann, sie umzusortieren.
Liebe Grüße
Nicole
Die Ambivalenz besteht auch darin, dass ich das Buch nicht verbloggt hätte, wenn ich es selbst gekauft und nicht als Rezensionsexemplar erhalten hätte. Dann hätte ich dieselbe Meinung dazu gehabt, sie aber nicht verbreitet. Frei nach dem Motto: Wenn etwas Dir nicht 100 % gefällt, schweige dazu, wenn keiner danach fragt. Zu entscheiden, ob man einem Verlag für das Buch im Hintergrund dankt und sagt, dass man es lieber nicht vorstellen möchte, weil es einem nicht gefallen hat, oder eine Rezension zu schreiben, weil Rezensionsexemplare eben zum Rezensieren da sind, ist manchmal eine Gratwanderung. Bei ein und zwei Sternen habe ich bisher nie etwas veröffentlicht. Mit drei Sternen hingegen schon, denn dort fangen bei mir Leseempfehlungen an.
Dein Bild mit dem Umsortieren der Päckchen gefällt mir. Wenn man die schweren Sachen nach unten legt oder gut verteilt, trägt sich der Rucksack besser!
Liebe Ines,
ich kenne weder Menschen vom Niederrhein (jedenfalls nicht bewußt) noch habe ich das Buch gelesen. Die Verlagsbeschreibung klingt für mich durchaus interessant, weil ich Geschichten von sich unterschiedlich entwickelnden Geschwistern und deren Zueinanderfinden durchaus mag. Aber allzu große Übertreibungen oder z.B. Protagonisten, die für mich nicht nachvollziehbare Handlungen setzen, gehen mir für gewöhnlich auch auf die Nerven.
Wenn AutorInnen ein gutes Erstlingswerk geschrieben haben, heißt das leider nicht unbedingt, dass einem die Folgebücher ebenso liegen. Mir ist schon ein paarmal aufgefalen, dass die nächsten Romane dann zwar nach einem gewissen Schema weitergestrickt werden, dass aber oft genau DAS, was mich am ersten Buch fasziniert hat, durch den Rost gefallen ist…
Alles Liebe, und wie immer: Kraul mir bitte den Paul!
Traude
https://rostrose.blogspot.com/2021/11/italien-reisebericht-ein-paar-kleine.html
Das mit dem Schema und den Folgebüchern kenne ich auch von anderen Autoren. Manchmal gelingt es, manchmal nicht. Hier hat eine Protagonistin, Anna, eigentlich ganz viel Potenzial für einen Roman mit ihrer Ehe/Scheidung (ich hätte lieber gelesen, was zwischen der Scheidung und dem Eintreffen im Pastorat in Alpen passiert ist) und ihrem Wirken in der Kirche nach dem echten Ankommen (das ist quasi das Ende dieses Buchs).
Ich kenne bisher ansonsten auch nur „Wir sind doch Schwestern“ von der Autorin. Bei den anderen haben mich der Klappentext und die Bewertungen im Netz nicht überzeugt. Hier fand ich das Thema wieder spannend und hatte noch keine Bewertungen gelesen, denn es wurde mir ums Erscheinungsdatum herum zugesendet. Wenn ich ein neues Buch vorstelle, lese ich Bewertungen anderer Leserinnen lieber erst nach dem Buch. In diesem Fall habe ich vor dem Schreiben der Rezension im Netz geschaut, wie es bei anderen ankommt: unterschiedlich. Viele sind begeistert, aber die kritischen Stimmen gehen genau in die Richtung meines Eindrucks. Da kam ich mir beim Schreiben dann schon nicht mehr ganz so alleine vor.
Als ernstes Thema ist auch das Trauma von Anna geeignet: Sie war mit einem Zwillingsbruder verheiratet und hat sich scheiden lassen, weil sie seinen Anblick nicht mehr tragen konnte wegen seines Bruders. Das alleine würde für ein ganzes Buch reichen, hier taucht das aber leider immer nur am Rand immer mal wieder auf.
Kernig ist Tante Ottilie, bodenständig ist außer Anna und ihrem verstorbenen Vater in dieser Familie niemand.
Liebe Ines,
hm, ich weiß es nicht. Frau Gesthuysen ist mir hier etwas zu präsent in den Medien. Das erste Buch mochte ich sehr gerne, aber wenn die Menschen einer Region als „Klatschtanten“ und „Schnapsdrosseln“ dargestellt werden, eher nicht. Schade um die nicht weiter berücksichtigten Erzählstränge.
Liebe Grüße vom Niederrhein, denn dazu gehört die Kölner Bucht offiziell. Wieder was gelernt!
Susa
Und ich kannte den Begriff Kölner Bucht nicht. Ich hatte auf einen Kommentar von Dir gehofft. Danke fürs Erfüllen des stillen Wunsches.
Gerade die älteren Menschen kommen in den Buch echt nicht gut weg, ziemlich hinterwäldlerisch. Homosexuelle gibt es im Dorf auf keinen Fall. Klar gibt es sowas, aber erst ab Duisburg … Es gab etwas zu viele Textstellen dieser Art. Und die Mutter von Anna und Maria ist dermaßen naiv, dass das hier und da schwer auszuhalten ist, auch wenn sie – wie die meisten Mütter – nur das Beste für die Familie will.
@Präsenz Wenn zu viel Werbung für ein Buch gemacht wird, irritiert mich das auch immer …
Liebe Ines, ich finde es toll, wie sachlich du eine nicht so positive Rezension formuliert – eine Beurteilung ist zu einem großen Teil wohl ein sehr subjektives Empfinden, doch es gibt eben auch allgemeingültige Punkte. Da ich mit deinen Buchempfehlungen eigentlich immer gut gefahren bin und ich noch einiges auf meinem SuB habe, werde ich mir auch hier gerne auf deine Meinung verlassen und das Buch wohl nicht auf meine Leseliste setzen.
Hab ein wunderbares Wochenende und alles Liebe Gesa
Die Mischung zwischen Sachlichkeit und eigenem Empfinden auszudrücken, finde ich schwierig. Danke für Dein Feedback, dass es offenbar gelungen ist.