Werbung – Rezensionsexemplar
Berlin Friedrichstraße: Tränenpalast
Friedrichstraßensaga, Band 2
von Ulrike Schweikert
Originalausgabe, Taschenbuch, 560 Seiten
ISBN 978-3-499-00010-2
Erschienen am 17. Mai 2022 im Verlag Rowohlt Polaris (Werbung)
Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.
Band 1 Novembersturm – Band 2 Tränenpalast
Im September 2021 habe ich Dir Band 1 der Serie, Novemberpalast (Rezensionsexemplar) vorgestellt und zum Lesen empfohlen. Der Start zog sich etwas, aber dann hat es mir gefallen – gerade vor dem Hintergrund politisch unsicherer Zeiten, wobei ich da an die Bundestagswahl dachte. Für mich war klar, dass ich Band 2, Tränenpalast, unbedingt lesen möchte.
Tränenpalast
„Zwei Schwestern, eine geteilte Stadt und ein Geheimnis, das eine Familie zu zerreißen droht.
Klappentext Tränenpalast
Zusammen sind sie in Berlin aufgewachsen: die Freunde Robert, Johannes, Ilse und Ella. Bis der Krieg sie trennte. Nun herrscht Frieden, doch die Wunden sind tief. Auch der Bahnhof Friedrichstraße wurde teilweise zerstört. Eines ist zum Glück geblieben: Johannes’ Kiosk, der Fixpunkt der Freunde, die längst zu einer Familie geworden sind. Vor allem für Roberts Tochter Lilli ist er immer wieder Zuflucht. Hier lernte sie ihre große Liebe Michael kennen – doch er verschwand von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben. Und nun muss Lilli ihre Zwillingsmädchen Anne und Cornelia allein großziehen. Dabei merkt sie, dass es vor allem die Frauen sind, die in diesen ersten Nachkriegsjahren fest zusammenhalten, um zu überleben. In einer zunehmend geteilten Stadt wird der Zusammenhalt wichtiger als je zuvor. Und ausgerechnet der Bahnhof Friedrichstraße mit dem angrenzenden Tränenpalast wird zum Symbol der deutsch-deutschen Trennung.“
In Band 2 spielt die nächste Generation die Hauptrollen, aber die alte Garde kommt dennoch vor. Politisches Kernthema die ist vollständige DDR-Geschichte. Das Buch spielt von 1945 bis 1989 primär in Ost-Berlin. Falls Du Dich wunderst, was ich mit meiner Artikelüberschrift meine: Dabei geht es mir nicht um die DDR-Geschichte, sondern die ersten 90 Seiten, die in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs spielen.
Die Handlung beginnt in Februar 1945 in Berlin mit epischen Bombenszenen. Die lesen sich gerade vor dem aktuellen Ukraine-Russland-Hintergrund noch bedrückender als immer schon. Am schlimmsten sind aber für mich beim Lesen die Vergewaltigungen durch russische Soldaten. Solche Szenen waren immer schwer auszuhalten, aber jetzt waren sie für mich an der Grenze zur Unlesbarkeit.
Kam das Buch kam also zur falschen Zeit – oder kann man das so gar nicht sagen? Weder das, was damals passiert ist, noch das, was heute passsiert, darf je vergessen werden. Der Unterschied ist dabei, dass es im letzten Jahr noch Erinnerung an eine scheinbar abgeschlossene Vergangenheit war und heute in der Nähe passiert. Sowas möchte einfach niemand auf der Welt erleben.
Die ersten 90 Seiten bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 waren entsprechend emotional zu lesen und ich fand den Teil ehrlich gesagt auch etwas lang – auch ohne den aktuellen gedanklichen Bezug. Band 2 zog sich zu Beginn für mich ebenso wie Band 1.
Mit der Rückkehr von Johannes aus Frankreich nach Berlin gewinnt die Geschichte an Tempo. Es geht in der Geschichte auch um den Zusammenhalt unter Frauen und den Versuch der Verhinderung, dass die Männer nach dem Krieg sie wieder in die zweite Reihe an den Herd stellen.
„“Weißt du, Bruderherz, wir haben beschlossen diese Zeiten zu überleben“, schloss Ilse. „Denn wir haben ein Recht auf ein richtiges Leben, das den Namen auch verdient. Da arbeiten drauf hin.““
Lilli zu Johannes auf Seite 143
Interessant finde ich in der Gesamthandlung des Romans die Hintergründe über den Aufbau der DDR und den guten Willen einiger Personen dabei, sowie deren überzeugten Glauben daran, dass das eine gute Idee sei. Im Epilog verrät die Autorin, was aus der Handlung Realität und Fiktion ist.
Fazit
Ein Lesetipp für Fans vom Novembersturm, die wissen wollen, wie es weitergeht. Du könntest von der reinen Handlung her Band 2 auch ohne die Vorgeschichte lesen, aber ich denke, dass es spannender ist, die familiären Hintergründe aus Band 1 zu kennen. Dann ist die Geschichte am Ende rund.
10 Antworten auf „Lesetipp – Ein Thema im falschen Moment oder genau richtig?“
Keine einfache Kost, dieser Roman – und leider beschreibt er soviel Wirklichkeit. Als ich über den Bahnhof Friedrichstraße damals nach Ost-Berlin gegangen bin, war ich schockiert von der Militärmacht mit Machinengewehren auf den Balustraden und der absoluten Seelenlosigkeit der Grenzsoldaten, die dort zelebriert wurde. Tränenpalast, ist leider ein viel zu schönes Wort dafür.
Vergewaltigungen als Mittel im Krieg sind noch grausamer und sie betreffen fast nur Frauen. Um diesen Gedanken überhaupt auszuhalten, bin ich froh, dass eine Frau, Monika Hauser, dagegen etwas geschaffen hat: medica mondiale. Diese Organisation vollbringt so viel für die traumatisierten Frauen, dass sie unbedingt unterstützt gehört. Ich spende regelmäßig. Auch in sog. Friedenszeiten, denn leider ist immer irgendwo auf der Welt Krieg. Dieses Mal ist er nahe.
Herzlich,
Sieglinde
🙂 Liebe Siglinde,
danke für den Hinweis auf medica mondiale! Das werde ich mir anscgauen und gern spenden!
Ich möchte gar nicht wissen wie viele Frauen aus der Generation unserer Großmütter auf der Flucht vergewaltigt wurden. Meine Großmutter hat sehr verhalten darüber berichtet.
Erschreckend, dass sich bis heute nichts geändert hat – ganz im Gegenteil: Widerlich, dass Frauen ihre kämpfenden Männer dazu ermuntern Frauen im Feindesland zu vergewaltigen!! Da könnte ich ko….!!!
Liebe Grüße
Claudia 🙂
Dass Frauen Männer dazu ermutigen, krönt alles.
Extrem absurd finde ich auch, wenn heimkehrende Männer ihre „erehrten“ Frauen und Töchter verstoßen.
Es geht bei Menschen leider immer noch alles einen Schritt schlimmer, als man sich vorher vorstellen konnte.
Dass irgendwo immer Kried ist, habe ich beim Lesen auch gedacht. Es dürfte eigentlich keinen Unterschied machen, ob er quasi vor der Haustür ist oder auf einem anderen Kontinent. Aber das Gefühl ist dennoch ein anderes. Verdrängung funktioniert da nicht mehr.
Ich weiß nicht mehr, über welchen Grenzübergang ich 1989 im Juni von West- nach Ostberlin ging, aber Friedrichstraße war es nicht. Ein schreckliches Gefühl war es dennoch mit den ganzen Beamten und Waffen und auf einmal war alles Grau und stank nach Trabi. Wie wenige Meter alles verändern können …
Danke für den Hinweis auf die Organisation!
Ich finde eigentlich zeitlich passend. dennoch, keine leichte Kost. Liebe Grüße!
Vermutlich ist es so. Passend – weil aktueller denn je … leider …
Also, das ist definitiv ein Buch für mich. Ich habe Band 1 aus den Augen verloren, urgs.
Ich bin 1986 mit der Schule über die Friedrichstraße eingereist und ich spüre noch heute dieses beklemmende Gefühl…
Darum: Egal was ist und was auch nicht gut läuft, es geht nichts über die Freiheit.
Und ich gebe dir Recht: Jeder Krieg ist grausam und einer zu viel. Aber bei dem
‚Nahen‘ geht es irgendwie um noch ganz andere Dinge, auch wenn das blöd klingt.
Es ist wirklich immer wieder furchtbar zu sehen, wozu Menschen in der Lage sind. Und auch, was sie sich anmaßen zu tun.
In der Tat glaube ich, dass es anfangs bei der Gründung der DDR auch mit guten, idealistischen Gedanken zuging. Und einige auch fest daran geglaubt haben. Aber es geht eben nicht, wenn einige gleicher sind oder Menschen indirekt (oder direkt) eingesperrt werden.
Liebe Grüße
Nicole
So ist es … und das müssen ein paar Menschen in dem Roman erst einmal mühevoll erkennen lernen …
Ganz lieben Dank für die Empfehlung!
Liebe Grüße!
Wie immer: gerne :).