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Lesetipps Minimalismus

Lesetipp **** Ich will mehr, als Du hast

Werbung – Rezensionsexemplar

Der Haben-Wollen-Reflex von Luke Burgis

Der Haben-Wollen-Reflex
Wie sehr die Macht der Nachahmung unser Leben bestimmt und wie wir uns davon lösen
von Luke Burgis

Paperback , 368 Seiten
ISBN 978-3-86731-255-4
Erschienen am 13. Juni 2022 im VAK Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe findest Du auf der Verlagswebsite.

„Warum scheint das Gras auf der anderen Seite des Zauns immer grüner zu sein? Oder anders gefragt: Wieso eifern wir immer anderen nach und wollen haben, was sie haben wollen? Die Antwort liegt tief in unserer Psyche begründet: Wir alle werden von einem mimetischen Begehren gelenkt, einem nachahmenden Verlangen, wodurch Menschen oder Dinge unwiderstehlich anziehend auf uns wirken, sobald sie bereits von anderen begehrt werden (Mimesis = altgriech. Nachahmung). Aus diesem „Haben wollen“ entstehen Eifersucht, Neid und Gewalt. Doch wie können wir uns aus diesem Mechanismus befreien und unseren authentischen Wünschen und Zielen auf die Spur kommen?

Luke Burgis erläutert die psychologischen und soziologischen Hintergründe des mimetischen Begehrens: Abgesehen von grundlegenden Bedürfnissen wie Essen und Trinken wissen wir eigentlich gar nicht, was wir wirklich wollen. Unsere Wünsche und Bedürfnisse richten sich von Anfang an nach dem, was andere für begehrenswert halten, oder danach, was eine Zeit oder eine Mode zu angeblichen Bedürfnissen idealisiert. Das hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, wie zum Beispiel unsere Berufsziele, die Partnerwahl oder den Kleidungsstil. Doch dieses „Haben wollen“ um des „Haben wollens Willen“ kann uns nie wirklich zufrieden stellen. Dies nutzen Werbung, Influencer und Social Media, indem sie ein Verlangen nach ihren Produkten wecken, und in letzter Konsequenz können auch schwerwiegende Konflikte bis hin zu Kriegen auf die Mechanismen des mimetischen Begehrens zurückgeführt werden.

Hier setzt Luke Burgis an. Wir lernen, unser nachahmendes Verlangen zu erkennen und uns daraus zu lösen. So wird der Weg frei, die Dinge zu finden, die wirklich von Bedeutung für uns sind und uns auf lange Sicht erfüllen. Konkrete Taktiken, wie wir dem mimetischen Begehren ein Schnippchen schlagen und die Selbstkontrolle wieder erlangen, runden dieses hochaktuelle Buch ab.

Verlagstext

Gründe für mich, diese Buch zu lesen

  1. Wie sieht es mit dem Umgang und der Kontrolle meines eigenen Haben-Wollen-Reflexes aus?
  2. Wie gehe ich als (Mikro-)Influencer damit meinen Blogleser_innen und Kunden gegenüber um? Denn natürlich möchte ich hier und da Begehren wecken, sonst würde weder Werbung hier funktionieren, mit der ich Geld verdiene, noch jemand meine Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen, die meine Geschäftsgrundlage sind. Allerdings ist mir dabei wichtig, nur Begehren zu wecken für etwas, das ich selbst auch begehrenswert finde.

Auf der einen Seite bin ich also Kundin, auf der anderen Seite interessiert mich die Marketingsicht. Um es vorweg zu nehmen: Der zweite Punkt trat beim Lesen für mich sehr schnell in den Hintergrund, denn die Perspektive des Autors bezieht sich stark auf sein eigenes Handeln und Empfinden bzw. das seiner Beispielpersonen, auch wenn diese wiederrum Unternehmen führen.

Die Rezension schreibe ich folglich aus meiner Sicht als Verbraucherin und Konsumentin von Social Media. Die Einführung und Teil I – Die Macht des mimetischen Begehrens – haben mir bis Seite 193 sehr gut gefallen. Die Beispiele sind deutlich und werden immer wieder neu verknüpft.

Von Teil II – Die Transformation des Begehrens – hatte ich mich mehr versprochen, der ist mir zu theoretisch dafür, dass es eigentlich um die Umsetzung geht. Den habe ich nach kurzer Zeit nur noch überflogen.

Die letzten 62 Seiten bestehen aus dem Nachwort, Danksagung, Anhang, Anmerkungen, Literatur und Quellen. Es war also nur etwa die Hälfte des Buchs richtig spannend für mich, deshalb bekommt es von mir nur vier Sterne. Für die erste Hälfte hätte es sofort fünf bekommen.

Von Gleichheit und Unterschiedlichkeit

Luke Burgis beschäftigt sich an diversen Stellen des Buchs mit der Frage, welche Rolle Gleichheit und Differenzierung von anderen Menschen der Boden für unser Streben nach Status und Besitz sind.

„Menschen kämpfen nicht, weil sie unterschiedlich sind, sondern weil die gleich sind, und in ihrem Versuch sich zu unterschieden, haben sie sich zu feindlichen Zwillingen gemacht, menschlichen Ebenbildern in gegenseitiger Gewalt.“

Zitat von René Girard nach Sandor Goodhart, im Buch Seite 36f

Als ich das gelesen habe, hatte ich das Gefühl, dass mir ein Spiegel vorgehalten wird, denn ich mag kein Zwilling sein. Ein Grund meines Strebens ist also das Leugnen meines Zwilling-Seins und der enorme Wille, das in Differenzierung auszudrücken. Ich erinnere mich glasklar an die letzte Situation, in der man mich als Zwilling sah und ich mich (verbal) Händen und Füßen gewehrt habe und aus der Situation geflüchtet bin.

„Warum sehen alle Hipster gleich aus und trotzdem hält sich keiner von ihnen selbst für einen?

Seite 104

Die Antwort darauf lautet nach Luke Burgis gespiegelte Nachahmung (Seite 104f). Weil Spiegel die Wirklichkeit verzerren, zeigen sie Dinge seitenverkehrt – aus der rechten Hand wird die linke und umgekehrt. Das Spiegelbild wird zum Gegenteil dessen, was ich im Rivalen sehe. So mache ich scheinbar etwas anderes als das, was der Rivale tut.

Das ist übrigens exakt der Grund, warum ich empfehle, Outfits auf Fotos zu betrachten und nicht nur im Spiegel, weil wir uns auf Fotos so sehen, wie andere Menschen uns sehen.

Abgrenzung von schlechten Vorbildern

Jeder kennt Menschen, bei denen es einem nicht gut geht, wenn wir sehen, was sie machen oder sich darstellen – in sozialen Netzwerken ebenso wie im realen Leben. Ich stimme dem Autoren sowas von zu, dass es wichtig ist, sich von diesem Einfluss zu lösen.

Über die Jahre haben sich in meinem virtuellen Umfeld einige Menschen angesammelt, die mir schlechte Laune machen, wenn ich sehe, wie sie sich im Netz darstellen, um Aufmerksamkeit heischen, illegale Dinge tun für ihre Reichweite und dafür beklatscht werden wollen. Meine Nerven und Zeit sind mir schon lange zu schade dafür, mich mit solchen Menschen zu beschäftigen.

Ich entfolge solche Menschen, lese deren Posts wirklich nicht mehr, und blockiere sie, falls sie mir im Netz dennoch vorgeschlagen werden. Ich kenne einige Blogger, die immer wieder bei ihren Feinden lesen als Amüsement und mir dann ab und an mal die größten Aufreger zukommen lassen.

Nach dem Motto: Das musst Du jetzt wirklich mal gesehen haben, was die da wieder veranstaltet. Nein, muss ich nicht. Will ich nicht. Ist nicht gut für meine Psycho-Hygiene. Seit ich diese Einstellung habe, bin ich wesentlich entspannter, was meine eigene Präsenz im Netz angeht.

Finde Dein Schwungrad

Der Autor arbeitet mit dem Bild des Schwungrads, das wirklich schwer in Gang zu bekommen ist, aber wenn es sich erst einmal dreht, durch kleine Impulsen immer schneller wird. Er schreibt (Seite 131), dass die wirkungsvollsten persönlichen Schwungräder Menschen haben, die sich selbst gut kennen und dass diese Menschen vermutlich von sich aus wissen, welche Dinge die Wahrscheinlichkeit erhöhen oder verringern, dass sie zukünftig etwas Bestimmtes tun wollen.

Seit ich in den letzten Jahren zu dieser Klarheit gekommen bin, was mir wichtig ist und was ich bereit bin, dafür zu tun, geht es mir erheblich besser. Einen deutlichen Anteil bei der Verfeinerung haben die Corona-Jahre 2020/21 dabei gehabt mit den verbundenen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Sorgen. Einen ebenso großen Anteil dürfte das Streben nach Minimalismus im Haushalt und Kleiderschrank daran haben.

Für wen ist das Buch?

Das Lesen des Buchs kann sinnvoll sein für Dich, wenn Dir unklar ist, welche Mechanismen Dich und Deinen Haben-Wollen-Reflex steuern. Jeder wird etwas lernen beim Lesen. Für mich war der geleugnete Zwillingsteil wichtig, für andere sicher etwas anderes.

Es ist ein Sachbuch mit teils recht wissenschaftlicher Sprache und vielen Zitaten. Dich erwartet keine Unterhaltungslektüre, sondern Fachliteratur – aber auch die kann unterhaltsam sein.

Wie gehst Du mit dem Haben-Wollen-Reflex um?


9 Antworten auf „Lesetipp **** Ich will mehr, als Du hast“

Die Fragestellung an sich ist sehr interessant: Denn ich habe sehr unterschiedliche Herangehensweisen an diesen Reflex.
Ähnlich wie du haben mich die letzten Jahre sehr geprägt, was das Haben wollen von Menschen in meinem Umfeld betrifft. Das hat mir und auch meiner Persönlichkeit sehr gut getan.
Auch weiß ich mittlerweile, was ich keinesfalls haben will. Oder sein will.

Ich halte es auf meinem Blog wie du- mir ist Authentizität unendlich wichtig.

Das reine Habenwollen ist sehr unterschiedlich- manchmal sehr fordernd, sehr sofort. Meist überdacht. Aber immer auf mich und meine Zufriedenheit bedacht.
Ich kenne aber auch Menschen, da ist das ganz anders.
Danke für deine wunderbare Schilderung dieses Buches.
Liebe Grüße
Nicole

Beim Lesen habe ich öfter an Dich und Deine Blogbeiträge mit dem Einkaufskribbeln aus dem Frühjahr gedacht. Hat Dir über den Sommer irgendwas davon gefehlt, was Du aus Vernunft nicht gekauft hast?

Jein- ich hätte schon gern ein paar leichtere Kleider gehabt. Aber wirklich gefehlt? Nein.
Insofern bleiben sie im Hinterstübchen und dann schauen wir mal, ob das im nächsten Sommer noch ein Wunsch ist und dann was wird.
Ich habe gerade bei meinem Nadelstreifenblazer gemerkt, dass die Dinge zu einem kommen, wenn sie sollen…
Hab eine feine Wochenmitte
Nicole

Haben Wollen gehört zu unserer Zivilisation. Hätten die Menschen diesen Drang nicht, hätten wir immer noch als Neandertaler in den Höhlen gehockt. Nur das Streben nach Etwas, hat die Menschheit weiter gebracht, das darf man nicht vergessen! Wir sind zu einer intelligenten Rasse mutiert und ich persönlich kann ruhig behaupten, dass bei mir stoßt man auf taube Ohren, wenn ich etwas nicht will oder brauche. Ich bin ein Kopf- Mensch und somit schaltet sich mein Verstand bei jeder Werbung, Kauf und Co ein. Natürlich bin ich offen für die Neuerungen, ich muss aber nicht alles haben. Liebe Grüße!

Das ist ein interessantes Thema. Die Macht der Nachahmung und gleichzeitig das Interesse an Differenzierung: gleich, aber auf keinen Fall gleich, so in etwa.
Als jüngerer Mensch war ich nicht frei davon. Je älter ich wurde, desto weniger interessiert mich das. Besonders, wenn es sog. Statussymbole angeht: Unser Auto ist 14 alt und eher klein, der Großteil meiner Wohnungseinrichtung ca. 40, meine Küche damals gebraucht gekauft über 40 Jahre… Ich finde alles gut so, wie es ist. Z.B. unser runder IKEA-Ausziehtisch war früher für Familienessen wunderbar und nun seit Jahren für große Familienfeiern mit Enkelkindern ganz großartig. Schrammen hat er schon, da machen neue nichts aus…
Das heißt nicht, dass ich mir nicht mal neue Tischdecke, Vorhänge, Kissen oder Tabletts (!) für die Wohnung kaufe oder mal einen neuen Sessel, wenn ich einen bequemen und schönen finde. Und das auch genieße. Aber im Grunde passt es. Wir haben Freunde und Verwandte, die haben drei Autos und smart Homes und immer das Neueste… mir fehlt nix davon- na, vielleicht jetzt eine Heizung mit Wärmepumpe… 🙂
Neidisch bin ich auch nur selten und der Haben-Wollen-Reflex kommt bei mir am meisten bei Schals, Pullovern oder Mänteln. Die trage ich nämlich oft und da möchte ich Abwechslung.
Wenn wirklich soviel über Nachahmung geschieht, dann wünschte ich dafür wirkliche Vorbilder, wo das Nachahmen sich lohnt und die Welt besser macht.

„gleich, aber auf keinen Fall gleich“

Besser kann man das nicht formulieren.

Ich bin sooo froh, dass man mein Mann auf solche Statussymbole auch keinen Wert legt. Es würde mich wahnsinnig machen, wenn er bei Autos krass andere Vorstellungen hätte als ich. Lustig war das bei meinem Mini, als er meinte, ich würde den der Marke wegen kaufen und nicht wegen der inneren Werte – bis zur Probefahrt, da war er dann auch überzeugt, dass da beim Gebrauchtwagen durchaus das Preis-Leistungsverhältnis passt. Was technische Gadgets wie Smartphones und PCs angeht bin ich von uns diejenige, die ewig nach Fortschritt schielt.

Wie gut, dass Deine Enkelkinder dann bei Dir nicht auf alles Rücksicht zu nehmen brauchen. Man muss ja den Tisch nicht absichtlich bemalen, aber wenn er mal einen Strich abbekommt, ist das halt so.

Unsere Sachen sind nicht so alt, aber das liegt natürlich auch an unserem Alter. Wir haben diverse Schränke und Bett aus den 1990ern (ich bin 1991 zu Hause ausgezogen) und das Sofa ist jetzt auch schon 16 Jahre alt und wird hoffentlich noch viele Jahre bleiben, Tisch und Stühle ebenso.

Mit Wohnaccessoires kann man wirklich viel verändern. Gardinen im Wohnzimmer haben wir bestimmt schon die vierten in 19 Jahren, deshalb kaufe ich da immer günstige.

Machen wir zusammen die Welt im Kleinen ein bisschen schöner!

Gerade virtuell sollte man echt öfter mal ein bisschen ausmisten und Instagram und Co darauf überprüfen, was man sich wirklich gerne anschaut und bei wem man sich eigentlich mehr aufregt, als dass man die Inhalte genießt… wirklich ein guter Anstoß!

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