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Lesetipp ***** Das spezielle Leben einer Inselfamilie

Werbung – Rezensionsexemplar

Zur See von Doerte Hansen

Zur See
von Dörte Hansen

Originalausgabe, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten
ISBN 978-3-328-60222-4
Erschienen am 28. September 2022 im Penguin Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Woher kommt unsere Liebe zum Meer und die ewige Sehnsucht nach einer Insel?
Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.

Klappentext

Dörte Hansen kennst Du vielleicht als Autorin von ihren ersten beiden Romanen Altes Land und Mittagsstunde, beides waren gehypte Bestseller. Altes Land habe ich gelesen, mochte es – allerdings primär wegen des Lokalkolorits, denn es spielt in Hamburg-Ottensen und im Alten Land, was beides hier in der Nähe und mir gut bekannt ist. Bei Mittagsstunde bin ich über eine Leseprobe nicht hinaus gekommen, die mich gelangweilt hat.

Umso mehr freue ich mich, dass ich Zur See als Rezensionsexemplar bekommen habe, denn über die Leseprobe wäre ich da vermutlich auch nicht hinausgekommen. Es fängt langsam und alkoholikerlastig an, gewinnt dann aber an Tempo, Vielschichtigkeit, Charme und Lösungen.

Zur See spielt in Zeeland, Jütland oder Friesland … und bietet damit eine Identifikationsfläche für alle Menschen, die irgendeine Nordseeinsel kennen. Ich finde es schön, dass es nicht um eine konkrete Insel geht, weil das der eigenen Phantasie mehr Platz lässt.

Das Buch spielt im Wesentlichen heute und in kurzen Rückblenden auf die Kindheit von Ryckmer, Eske und Henrik – die drei Kinder von Hanne und Jens Sander. Dann gibt es noch einen vor vielen Jahren zugezogenen Pastor, der an seinem Glauben zu zweifeln beginnt und dem die Frau stückweise davonläuft sowie ein paar Inselbewohner in Nebenrollen.

Die fünf Personen der Familie Sander haben eins gemeinsam: Sie finden ihren Platz im Leben nicht auf runde Weise.

Ryckmer Sander findet, dass er zu viel weiß, um nüchtern einzuschlafen.“

Seite 17f

Vom Kapitän zum betrunkenen Decksmann auf einer Fähre bis zum Seebestatter – was ist passiert, dass Ryckmer beruflich und privat durchs Leben schlingert? Er hat als Kapitän eines Schiffes in einem Sturm die Kontrolle verloren und sich bis heute nicht gefangen.

Eske kommt nicht raus aus der jugendlichen Rebellion und kann sich weder auf die Liebe noch ein friedliches Leben einlasen. Tattoos und Heavy Metall machen das Leben für sie aushaltbar. Ist auf Dauer Platz für ihre Freundin in ihrem Bett, die beim Schlafen ihre Arme und Beine wie ein Seestern von sich streckt (vgl. Seite 236)?

Wunschkind kann ein böses Wort sein, wenn dieses Kind die Wünsche seiner Eltern zu erfüllen hat, als wäre es ein Zauberer.“

Hanna über Henrik auf Seite 79f

Henrik sammelt nicht nur einfach Treibholz, er ist eins mit dem Meer und schafft Kunstwerke aus dem Treibgut, das er jeden Morgen zusammen mit seinem Hund sammelt. Die Kurztripgäste und Zweitwohnsitzbewohner aus den schicken Reetdachhäusern reißen ihm die Skulpturen aus der Hand. Er hat finanziell ausgesorgt, lebt aber weiter in seiner Bretterbude.

Er braucht nichts außer dem Meer, seinem Hund, seiner Kunst und jedes Jahre einen neuen Pullover, den Hanne ihm zum Geburtstag strickt. Der vom Vorjahr wird zum Backup, den vom Vorvorjahr bekommt der Hund für sein Körbchen. Seine Unruhe der Kindheitsjahre scheint sich in diesem von der Welt etwas abgekapselten Leben aufgelöst zu haben.

Jens ist vor 20 Jahren kommentarlos auf eine Vogelschutzstation gezogen und hat Hanne damit de facto verlassen. Jetzt spürt er, dass das einsame Leben dort für ihn ganz plötzlich nicht mehr das Richtige ist. Doch wohin führt sein Weg? Wer möchte er künftig sein? Schrittweise versucht er, sich Hanne wieder anzunähern. Heimlich und leise.

„Auf allen Inseln gibt es Frauen, die man nicht erschrecken kann, weil sie in ständiger Bereitschaft leben.“

Seite 14

Hanne ist so eine Frau, die nichts umhaut. Ob der Mann zur See fährt und verschwindet, obwohl er abgeheuert hat, ob der Sohn von ihr mit berufstauglichem Alkoholpegel durchs Leben zu führen ist und dennoch manchmal total abstürzt oder die Tochter ihr nicht verzeiht, dass sie sich als Kind nicht gesehen fühlte und sich um Henrik zu kümmern hatte, während die Sommergäste im Haus waren.

Mit der Hochzeit mit Jens, den Geburten der Kinder und ihrer Arbeit in Tracht im Heimatmuseum erfüllt sie die Rolle, von der sie denkt, dass sie für die bestimmt ist. Aber ist das wirklich die Rolle, die ihr in ihrem Leben gut tut?

Sachlich, ungerührt und doch dabei Bilder in den Kopf malend. Das Besondere an dem Roman ist die norddeutsche Sprache. Das Buch hat mich nach dem anfänglichen Holpern in seinen Bann gezogen. 256 Seiten erscheinen wenig, aber dennoch hat man eine Weile daran zu lesen, weil jede Seite gehaltvoll ist.

Wer lieber dicke Bücher liest, lässt sich von der Kürze bitte nicht von diesem Roman abhalten. Trotz der persönlichen Desaster der Protagonisten erscheint mir die Geschichte nicht traurig. Vielschichtig trifft es besser.

Kennst Du die Romane von Dörte Hansen? Wie gefallen sie Dir?

PS: Gelernt habe ich den Begriff, dass man eine Fahne dippen kann. Durch kurzes Nieder- und Aufholen grüßt man beim Dippen mit der Fahne. Ein schönes Wort und schöner Brauch, oder?


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Lesetipp: Die Familiensaga geht weiter

Werbung – Rezensionsexemplar

Wiedersehen in der Tuchvilla von Anne Jacobs

Wiedersehen in der Tuchvilla
Die Tuchvilla-Saga, Band 6
von Anne Jacobs

Originalausgabe, Klappenbroschur, 640 Seiten
ISBN 978-3-7341-1218-8
Erschienen am 9. November 2022 bei blanvalet (Werbung), Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Dramatische Zeiten in der Tuchvilla: Wird die Liebe zwischen Marie und Paul die wechselhafte Zeit der Trennung überstehen?“
Augsburg, 1939: Auf die Familie Melzer und ihre Angestellten warten schwere Zeiten. Der Zweite Weltkrieg steht unmittelbar bevor, und es ist klar, dass sich das Leben aller Bewohner verändern wird. Die Tuchfabrik steht kurz vor dem Aus, und Paul muss ein weiteres Mal unbequeme Entscheidungen treffen – und das ohne seine Frau Marie. Denn diese lebt nun bereits seit 1935 mit ihrem Sohn Leo in New York, und die Zeit der Abwesenheit hat ihre Spuren hinterlassen, auch wenn Maries Liebe zu Paul ungebrochen ist. Als sie aber erfährt, dass eine andere Frau in Pauls Leben getreten ist, trifft sie das hart. Wird es Marie gelingen, ihren geliebten Ehemann zurückzugewinnen?

Verlagstext

Die komplette Tuch-Villa-Saga

Achtung Spoiler!

2021 habe ich Dir Band 4 und Band 5 im Zusammenhang mit der ganzen Serie vorgestellt. Ich war überrascht, dass es jetzt einen weiteren Band gibt, den ich als Fan der Serie natürlich auch lesen wollte.

Marie und Leo haben in New York Fuß gefasst. Leo ist erfolgreicher Komponist, Marie hat ihr gut gehendes Geschäft Atelier des Modes. Für Marie ist auch nach jahrelanger Trennung klar, dass Paul ihr Mann ist und bleibt und sie sofort nach dem Ende der NS-Zeit nach Deutschland zurückkehren wird. Sie wehrt sämtliche Avancen ab.

Für Paul ist die Beziehungslage nicht ganz so klar wie für Marie, weil er sich verlassen fühlt und bis zum Ende der NS-Zeit immer noch denkt, dass der seine Ehefrau jüdischer Abstammung hätte beschützen können. In der Familie steht er mit der Sicht relativ alleine da, aber es gibt durchaus Verständnis dafür, dass er nach irgendwann neunjähriger Trennung nicht mehr auf Maries Rückkehr warten möchte.

Sebastian, der Mann von Maries Schwägerin Lisa, ist in Dachau interniert, die jungen Männer aus Familie und Personal ziehen frei- und unfreiwillig in den Krieg und kommen mehr oder weniger oder gar nicht nach Hause am Ende.

Marie, Leo und auch sein Freund Walter haben in den Jahren in den USA die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen und den Teil fand ich insofern besonders interessant, als dass in dem Zusammenhang verdeutlicht wurde, dass einige Amerikaner nach dem Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg auf einmal nicht mehr zwischen in Deutschland verfolgten Juden mit frischem amerikanischen Pass und Nazis unterschieden haben.

Marie und Leo sind überraschenden Anfeindungen ausgesetzt. Dass Leo sich irgendwann entscheidet, in die US-Army einzutreten, um Deutschland von dem NS-Regime zu befreien, verzeihen ihm einige Deutsche nicht.

Maries Tochter Doro, die Zwillingsschwester von Leo, spielt ebenso eine Hauptrolle in dem Roman. Sie ist Pilotin und technische Studentin und derselbe Wirbelwind, der sie schon als kleines Kind war.

Paul, einst in Summe Sympathieträger, verliert für mich mit jedem Jahr an Charme und Profil. Schade! Der umfangreiche Personalstab hat schon immer eine große in den Roman gespielt, aber dieses Mal war mir das zu viel Küche-Kochen-Tratsch-Alltag.

Insgesamt kommt der sechste Teil für mich in keiner Form an die anderen Teile heran. Marie ist weiter eine starke Frau, die ihren Weg geht, aber es stehen andere Personen im Vordergrund. Mir fehlte beim Lesen eine sich durch diesen Teil der Geschichte ziehende Identifikationsperson. Deshalb ist das aus meiner Sicht nur ein Lesetipp für alle, die Band 1-5 gelesen haben und das Ende wissen möchten.

Kennst Du die Tuchvilla-Saga?


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Lesetipp ***** Am Ende siegt die Liebe

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Rueckkehr von Anne B Ragde - Band 6 - Das Finale der Lügenhaus-Serie

Rückkehr
von Anne B. Ragde

Deutsche Erstausgabe
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
Originaltitel Datteren, Originalverlag Oktober Forlag
Taschenbuch, Klappenbroschur, 368 Seiten
ISBN 978-3-442-77262-9
Erschienen am 9. November 2022 im btb Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Die Lügenhaus-Serie Band 1-6

Das fulminante Finale der erfolgreichen „Lügenhaus“-Bestsellerserie

Am Meer, in der Nähe der Stadt Trondheim in Norwegen steht ein alter Bauernhof, der ein großes Geheimnis birgt. Die bewegende Geschichte dreier Generationen von Schweinezüchtern begann in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit einer Liebe, die nicht sein durfte und einer folgenreichen Lüge, die die Familie Neshov fast zugrunde richtete. Erst Torunn, der Enkelin, gelang es, die Familie zu versöhnen.

Jetzt, im letzten Teil der Bestseller-Serie, beginnt Torunn, den verfallenen Hof wieder wohnlich zu machen. Und sie findet ihre Berufung in dem Bestattungsunternehmen ihres Onkels Margido. Doch ganz ihr persönliches Glück hat auch sie noch nicht gefunden. Zu sehr, so scheint es, hängt auch sie noch an den Geistern der Vergangenheit. Das ändert sich, als ein vermeintlich Fremder auf dem Hof auftaucht.“

Verlagstext

Rückkehr ist der sechste, letzte Teil der Lügenhaus-Serie. Ich empfehle unbedingt, die anderen Bände vorher zu lesen und zwar in der richtigen Reihenfolge, weil man sonst die Handlung und die Bezüge zwischen den Personen nicht versteht. Wer Band 1-5 mochte, wird dieses Buch verschlingen.

Ich habe es an einem Wochenende gelesen, mit den vorherigen ging es mir genauso, die ich teilweise selbst gekauft habe. Die bildhafte Sprache der Autorin mag ich sehr gerne. Ein Beispiel:

„Die halben Eier lagen ein bisschen zitternd auf dem glatten Porzellan, zwei weiß glänzende Boote mit einer matten Sonne in der Mitte, wie schön, dachte er, dieser Gelbton war mit nichts zu vergleichen.“

Tormod auf Seite 16

Wenn ich das lese, sehe ich die ganze Szene vor mir und habe das Gefühl, Teil der Geschichte zu sein. Geht Dir das auch so?

Achtung Spoiler!

“Denn jetzt bin ich an der Reihe.”

Torunns letzter Satz aus Band 5

Genau damit geht es weiter in Band 6. Torunn findet ihren Weg – beruflich, familiär und privat. Dabei lernt sie unter anderem, dass Menschen, die Tiere nicht verstehen, ihre Welt nicht verstehen.

Die Beziehung zu ihrer Mutter wird auf eine harte Probe gestellt, als sie beschließt, ihrem Nachnamen mütterlicherseits, Breiseth, den Namen ihres Vaters, Neshov, hinzuzufügen. Sie möchte dann Torunn Breiseth Neshov heißen, um den Bezug zu dem Hof, dem Bestattungsunternehmen und ihrer Familie väterlicherseits herzustellen.

Für die Mutter ist das ein herber Verrat, weil sie damals in der Familie Neshov nicht willkommen war und schwanger vom Hof gejagt wurde. Für Torunn ist der Namen eine Frage der Identität. Aber ist er den Bruch mit der Mutter wert? Sensible Freunde und Verwandte helfen den Beiden, einen Weg zu finden.

Eine Woche lang ist der Teil der Familie aus Dänemark zu Besuch, der in Band 4 die Hauptrolle hatte: ihr zauberhafter Onkel Erlend mit Ehemann Krumme und den beiden lesbischen Müttern ihrer drei Kinder. So viel Respekt Torunn davor hat, dass eine siebenköpfige Meute einfällt, so wunderbar wird die gemeinsame Zeit.

Dann wäre da noch die Frage mit der Liebe: Wer taucht auf dem Hof auf und ist er es, mit dem Torunn ihren neuen Weg gemeinsam gehen möchte? Um das zu erfahren, musst Du bis fast zum Ende lesen.

Für mich sind alle Handlungsstränge der sechs Romane am Ende rund verwoben, es bleibt nichts offen. Um Torunn herum könnte es für mich gerne weiter gehen, aber der Geist des Lügenhauses ist seiner Wege gezogen. Gut so!

Ist das eine Familiengeschichte nach Deinem Geschmack?


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Lesetipp ***** Leben zwischen Ost und West

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Kinder des Aufbruchs von Claire Winter

Kinder des Aufbruchs
von Claire Winter
Band 2 von bisher 2

Originalausgabe, Hardcover mit Schutzumschlag, 560 Seiten
ISBN 978-3-453-29266-6
Erschienen am 2. November 2022 im Diana Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Berlin 1967: Vier junge Menschen zwischen Verrat, Spionage und dem Kampf um die Demokratie

Sechs Jahre nach dem Mauerbau lernt die erfolgreiche Dolmetscherin Emma in West-Berlin die aus dem Ostteil der Stadt geflohene Sängerin Irma Assmann kennen. Als sie ihrer Zwillingsschwester Alice davon erzählt, reagiert diese beunruhigt. Alice schreibt als Journalistin über die Studentenbewegung und steht in Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfe-Organisationen. Ist Irma mit ihren ehemaligen Beziehungen zum KGB als Informantin im Westen? Oder sind die Schwestern und deren Männer Julius und Max durch ihre Verbindungen zur DDR zu Zielscheiben geworden? Kurz darauf wird die Sängerin ermordet, und die vier geraten inmitten der Studentenunruhen zwischen die Fronten der Geheimdienste.“

Klappentext

Band 1 – Kinder ihrer Zeit

Band 1 der Geschichte, Kinder ihrer Zeit, habe ich Dir kürzlich noch einmal vorgestellt, um den Bezug zu dieser Geschichte herzustellen. Wenn Du beide Bücher lesen möchtest, lies bitte Band 1 zuerst. Ich denke, dass man die Handlung aus Band 2 auch ohne Band 1 grundsätzlich versteht, aber nicht in der Tiefe und man spoilert sich selbst etwas, falls man dann doch noch den ersten Band lesen möchte.

Nun aber rein in Band 2 – Kinder des Aufbruchs!

Der Klappentext trifft zwar einen Teil der Handlung, aber für mich nicht den Wesentlichen. Er fasst zusammen, dass es schwer ist und unsicher sein kann, Menschen zu vertrauen, wenn man eine gemeinsame Geschichte in der DDR und im Spionagenetz hat. Aber die Handlung um Irma herum ist nur ein kleiner Teil des Romans.

Für mich stehen im Fokus die Paare Emma mit Julius und Alice mit Max. Alice ist als Journalistin dicht an den aktuellen politischen Ereignissen um Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke und versucht als Links-Intellektuelle gegen die Springerpresse anzuschreiben.

Alice und Max haben eine Tochter, die es gar nicht gut findet, dass ihre Mutter als einzige in der Klasse berufstätig ist. Familie und Job unter einen Hut zu bringen, ist leider ein Thema, dass 1967 so aktuell ist wie 2022. Max ist Anwalt und für damalige Verhältnisse ein moderner Vater, denn er übernimmt auch tagsüber Betreuungszeiten und arbeitet teilweise zu Hause.

Emma ist glücklich mit ihrer Arbeit als Dolmetscherin und in hohen politischen Kreisen unterwegs. Dennoch wünschen Julius und sich ein Kind. Emma leidet unter den psychischen Folgen einer Fehlgeburt und stellt ihr Leben in Frage. Dabei kommt Luca in ihr Leben, ein Junge im Grundschulalter, den sie bei einem Dolmetscherauftrag in einem Kinderheim kennenlernt. Sie beginnt, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Luca ist ein scheues Kind und hat offenbar ein gefährliches Geheimnis. Julius ist aus verschiedenen Gründen nicht begeistert von dem Band zwischen Emma und Lucas.

Auf einer Demo gleich zu Beginn der Handlung trifft Alice zufällig auf Fritz, einen alten Freund aus der DDR, dem gegenüber sie ein wahnsinnig schlechtes Gewissen hat wegen einer Tat, in die Irma und sie damals beide involviert waren, als sie noch in der DDR gelebt haben. Fritz wurde von Westdeutschland freigekauft und setzt alles daran, seine Schwester nachzuholen. Alice geht bei der Unterstützung von Fritz deutlich mehr Risiken ein, als Max recht ist. Für mich ist dieser Handlungsstrang der Kern der Geschichte.

Wie viel Wahrheit braucht ein Leben?

Und wie viel Vertrauen kann am Ende zu gefährlich sein? Kann man, wenn man einmal im Netz der Stasi, KGB, CIA und BND war, jemals wieder vollständig frei und unbeobachtet leben? Kommt immer wieder jemand an fordert das Begleichen einer offenen Rechnung an?

„Ich vermisse viele Menschen […] und dieses Miteinander und den Zusammenhalt, den es untereinander gab“ […] „Hier im Westen ist das anders.“

Fritz auf Seite 185 auf die Frage von Alice, ob er das Leben in der DDR manchmal vermisst.

Als in Westdeutschland sozialisierte Person frage ich mich immer, was mit diesem Miteinander und dem Zusammenhalt gemeint ist. Ich habe schon häufiger gehört, dass diese Begriffe von in Ostdeutschland sozialisierten Menschen verwendet werden und eine gewisse Sehnsucht danach besteht.

Gilt das nur für Menschen, die mit der Stasi nichts im Hut hatten? Mein Gefühl beim Lesen solcher Bücher und in Gesprächen ist eigentlich eher, dass man in der DDR immer vorsichtig sein musste, weil man nie wusste, wem man wirklich vertrauen kann. Nicht umsonst sind viele Freundschaften und Familien zerbrochen, nachdem die Stasi-Akten eingesehen werden konnten.

Letztlich ist das auch der Eindruck, der beim Lesen dieses Buchs entstanden ist: Das Messer rammt Dir am Ende der in den Rücken, den Du am wenigsten im Verdacht hattest, der Verräter zu sein. Aber vielleicht liegt das auch in der Freiheit der Romanerzählung.

Wie sieht es mit dem Miteinander und Zusammenhalt in Deinem Leben aus?


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Lesetipp **** Franzbrötchenliebe

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Der Duft von Zimt von Rebekka Eder

Der Duft von Zimt
von Rebekka Eder

Originalausgabe, Taschenbuch, 528 Seiten
ISBN 978-3-499-00833-7
Erschienen am 16. August 2022 im Rowohlt Verlag (Werbung)
Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„Himmlisch duftender Zimt, ein altes Geheimnis und eine Prise Romantik

HAMBURG, 1812: Die junge Josephine führt mit ihrem Onkel eine kleine Bäckerei. Doch die französische Besetzung der Stadt stellt die beiden vor die Herausforderung, genug Zutaten zu beschaffen. Als ihr Onkel aufgeben will, überredet Josephine ihn, Thielemanns Backhus allein weiterführen zu dürfen. Er hat nur eine Bedingung: Sie soll endlich heiraten – ausgerechnet den Postboten Christian Schulte, der überraschend wenig Mitgefühl für die Nöte der Hamburger Bevölkerung zeigt. Gleichzeitig wird ihr der Soldat Pépin Sabatier, der in der Backstube ein und aus geht und stets von den Köstlichkeiten Frankreichs schwärmt, immer sympathischer. Besonders der Duft von Zimt hat es ihm angetan – genau wie Josephine. Zusammen mit Pépin kommt sie nicht nur einem alten Familiengeheimnis auf die Spur, sondern erfindet auch ein Gebäck, das Thielemanns Backhus retten könnte …

Ein zauberhafter Roman über das wohl beliebteste Hamburger Gebäck: das Franzbrötchen!

Verlagstext

Als erstes möchte ich eine Warnung vor dem Buch aussprechen: Wenn Du es liest, wirst Du die ganze Zeit Lust auf Zimtschnecken, Franzbrötchen, Plätzchen und frisch gebackene Rundstücke haben. Für nicht Hamburger: Rundstücke sind einfache helle Brötchen.

Wenn Du Dich dem tapfer gewachsen siehst, kannst Du Dich auf schöne Lesestunden freuen. Das Buch ist bestens geeignet für gemütliche Lesezeit im Herbst und Winter mit einer Tasse und etwas Gebäck zur Hand.

Wobei der Verlagstext insofern etwas täuscht, als dass zwar die französische Besatzung erwähnt wird, die Liebes- und Backgeschichten demnach aber im Vordergrund stehen. Das tun sie, aber die Umstände der Belagerung zur Zeit Napoleons waren für die Bevölkerung kein Vergnügen.

Wer zum Beispiel aufgrund des aktuellen Weltgeschehens keine Lust auf einen Roman mit Waffen, politisch nicht gewollten Ansichten und Vertreibung hat, wird keine Freude daran haben. Für mich war das beim Lesen ein politischer Hintergrund, der reale Geschichte ist, und den ich eher interessant als bedrohlich fand. Obwohl sich die politischen Anteile zum Ende zuspitzen, siegte beim Lesen das Gefühl der Liebe und dem Duft von Zimt.

Warum vier und keine fünf Sterne? Die Liebesgeschichte war mir einen Hauch zu lieblich und vorhersehbar. Dennoch habe ich es zügig und gerne gelesen. Wenn Du Lust hast, Dich in weicher Erzählsprache einhüllen zu lassen, ist das ein Roman für Dich.

Kennst Du Franzbrötchen und liebst Du sie auch so?