Das Kufiya-Muster kennen wir alle, aber woher kommt es eigentlich? Und noch viel mehr stellt sich mir die Frage, wofür es steht. Unter Kufiya versteht man ein quadratisches Kopftuch, das ursprünglich von Männern in der arabischen Welt getragen wird.
Das typische Muster dieser Tücher, meistens weiß-rot oder weiß-schwarz gehalten, findet sich seit einigen Jahren allerdings auch vermehrt auf Kleidern und Tuniken für Frauen in der westlichen Welt in bunten Farben wieder. Es wird auch als Kufiya-Muster bezeichnet.
Besonders in weiß-gelb, wie Du es zum Beispiel bei Bloggerin Tina im Beitrag Kufiya Sommerkleid sehen kannst, mag ich es gerne leiden. Die Frage ist, ob man diesen Trend mitmachen möchte oder nicht.
Wie politisch ist Mode?
So gefällig ich das Muster optisch finde, so zucke ich gleichzeitig zusammen, wenn ich es sehe, weil ich mich frage, wofür es steht. Was möchte der Träger damit sagen? Oder ist es einfach nur ein modisches Accessoire ohne politischen Hintergrund?
Eine Abiturientin antwortete auf meine Frage, warum sie das Tuch mit dem Muster trage: Wieso? Ist halt ein Pali-Tuch. Wofür Pali in dem Wort stand und was es damit auf sich hat, wusste sie nicht. Fand ich ziemlich peinlich für die junge Dame. Ihr war das egal.
In Anbetracht der aktuellen Lage im Israelisch-Palästinensischen Konflikt habe ich am Wochenende etwas zu den Hintergründen gelesen. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, diesen Konflikt vollständig zu verstehen.
Dabei habe ich das Israel-Thema sogar ein Semester lang in der Oberstufe in Geschichte gehabt. Es wurden allerdings lieber einzelne UN-Resolutionen im Wortlaut auseinandergenommen und kleinteilige politische Handlungen bewertet, als die Einordnung ins Weltgeschehen und die Zusammenhänge vor Ort betrachtet. Das Meiste davon habe ich vergessen.
Beim Lesen im Netz über die Geschichte des Israelisch-Palästinensischen Konflikts sah ich natürlich unter anderem Bilder von Jassir Arafat, dem vermutlich berühmtesten Träger der Kufiya. Durch ihn wurde die Kufiya als palästinensisches Nationalsymbol bekannt.
Wofür steht das Kufyia-Muster heute in Deutschland?
Ausgelöst durch die Bilder von Arafat und weil ich das Muster immer wieder im Internet bei Damenkleidung sehe, habe ich mir Gedanken dazu gemacht, was Menschen in Deutschland mit dem Kufyia-Muster verbinden. Auf Wikipedia steht dazu unter anderem
„Seit den Tagen des außerparlamentarisch organisierten Studentenprotests der 68er Jahre ist in der linken Jugend- und Subkultur das Palituch als Zeichen der Solidarität mit der PLO ein beliebtes Zeichen zum Ausdruck der persönlichen Zugehörigkeit insbesondere zur antiimperialistischen Strömung innerhalb des politisch linken Lagers und der alternativen Szene. Es wird dort als Zeichen des Widerstands gegen Repression und als Symbol persönlicher Freiheit verstanden. Auch von Hippies wird es in diesem Sinne getragen.“
Kyfia – Wikipedia
Nun ist es allerdings so, dass ich mich mit der PLO so gar nicht identifizieren kann. Mit dem politischen Verhalten Israels in weiten Teilen aber auch nicht. Ein Zeichen des Widerstands gegen Repression und als Symbol persönlicher Freiheit finde ich allerdings eine feine Sache.
Inzwischen wird das Palästinensertuch in westlichen Ländern auch ohne politischen Symbolbezug als Modeaccessoire verwendet – siehe mein oben geschildertes Erlebnis mit der Abiturientin. Ist das naiv oder einfach der Lauf der Zeit?
Umgehauen hat mich bei der Recherche dazu allerdings, dass in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre die Kufiya vermehrt auch von Rechtsextremisten und Neonazis als Halstuch getragen wird.
Dass die Rechte die Symbole der Linken verwendet, um sich als sozialistisch oder revolutionär darzustellen, finde ich mehr als absurd. Allerdings finde ich extrem linke und rechte politische Sichtweisen gleichermaßen inakzeptabel. Da passt es dann schon fast, sie an denselben Symbolen erkennen zu können.
Lässt sich das Kufiya-Muster entpolitisieren?
Bei einem Kleidungsstück wie der Kufiya – als Tuch getragen oder als scheinbar daraus gefertigtes feminines Kleidungsstück – ist für mich der Symbolgehalt so hoch, dass ich nicht in der Lage bin, das unpolitisch zu sehen und als reines Modeaccessoire zu tragen.
Selbst wenn ich es als ein Zeichen des Widerstands gegen Repression und als Symbol persönlicher Freiheit tragen würde, wäre mir Stand heute die Gefahr zu groß, von politisch denkenden Menschen in eine mir nicht entsprechende geistige Ecke gestellt zu werden. Von daher bin ich froh, dass es das tolle gelb-weiße Kleid von Tina nicht in meiner Größe gab, so dass ich nicht vor der Versuchung stand, das Muster doch zu tragen.
Ich habe bewusst Stand heute geschrieben, weil ich mir vorstellen kann, meine Meinung dazu ändern, wenn ich zu der Erkenntnis komme, dass die Menschen in Deutschland mehrheitlich unpolitisch auf das Muster reagieren. Schließlich trage ich auch einen Trenchcoat, ohne mich in einen Schützengraben werfen zu wollen, und Shirts der französischen Marine, ohne der anzugehören.
Das für den Beitrag fotografierte Tuch befindet sich sogar in unserem Haus, aber ich wollte nicht einmal für Anschauungszwecke ein Tragefoto mit meinem Gesicht ins Netz stellen. Es gehört meinem Mann und liegt normalerweise in einer Erinnerungstruhe im Keller. Es ist ein echtes traditionelles Tuch aus dem Jemen, das meinen Mann 1988 neun Monate in der Wüste vor Sand geschützt hat, als er dort gearbeitet hat.