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Lesetipp: Die Familiensaga geht weiter

Werbung – Rezensionsexemplar

Wiedersehen in der Tuchvilla von Anne Jacobs

Wiedersehen in der Tuchvilla
Die Tuchvilla-Saga, Band 6
von Anne Jacobs

Originalausgabe, Klappenbroschur, 640 Seiten
ISBN 978-3-7341-1218-8
Erschienen am 9. November 2022 bei blanvalet (Werbung), Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Dramatische Zeiten in der Tuchvilla: Wird die Liebe zwischen Marie und Paul die wechselhafte Zeit der Trennung überstehen?“
Augsburg, 1939: Auf die Familie Melzer und ihre Angestellten warten schwere Zeiten. Der Zweite Weltkrieg steht unmittelbar bevor, und es ist klar, dass sich das Leben aller Bewohner verändern wird. Die Tuchfabrik steht kurz vor dem Aus, und Paul muss ein weiteres Mal unbequeme Entscheidungen treffen – und das ohne seine Frau Marie. Denn diese lebt nun bereits seit 1935 mit ihrem Sohn Leo in New York, und die Zeit der Abwesenheit hat ihre Spuren hinterlassen, auch wenn Maries Liebe zu Paul ungebrochen ist. Als sie aber erfährt, dass eine andere Frau in Pauls Leben getreten ist, trifft sie das hart. Wird es Marie gelingen, ihren geliebten Ehemann zurückzugewinnen?

Verlagstext

Die komplette Tuch-Villa-Saga

Achtung Spoiler!

2021 habe ich Dir Band 4 und Band 5 im Zusammenhang mit der ganzen Serie vorgestellt. Ich war überrascht, dass es jetzt einen weiteren Band gibt, den ich als Fan der Serie natürlich auch lesen wollte.

Marie und Leo haben in New York Fuß gefasst. Leo ist erfolgreicher Komponist, Marie hat ihr gut gehendes Geschäft Atelier des Modes. Für Marie ist auch nach jahrelanger Trennung klar, dass Paul ihr Mann ist und bleibt und sie sofort nach dem Ende der NS-Zeit nach Deutschland zurückkehren wird. Sie wehrt sämtliche Avancen ab.

Für Paul ist die Beziehungslage nicht ganz so klar wie für Marie, weil er sich verlassen fühlt und bis zum Ende der NS-Zeit immer noch denkt, dass der seine Ehefrau jüdischer Abstammung hätte beschützen können. In der Familie steht er mit der Sicht relativ alleine da, aber es gibt durchaus Verständnis dafür, dass er nach irgendwann neunjähriger Trennung nicht mehr auf Maries Rückkehr warten möchte.

Sebastian, der Mann von Maries Schwägerin Lisa, ist in Dachau interniert, die jungen Männer aus Familie und Personal ziehen frei- und unfreiwillig in den Krieg und kommen mehr oder weniger oder gar nicht nach Hause am Ende.

Marie, Leo und auch sein Freund Walter haben in den Jahren in den USA die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen und den Teil fand ich insofern besonders interessant, als dass in dem Zusammenhang verdeutlicht wurde, dass einige Amerikaner nach dem Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg auf einmal nicht mehr zwischen in Deutschland verfolgten Juden mit frischem amerikanischen Pass und Nazis unterschieden haben.

Marie und Leo sind überraschenden Anfeindungen ausgesetzt. Dass Leo sich irgendwann entscheidet, in die US-Army einzutreten, um Deutschland von dem NS-Regime zu befreien, verzeihen ihm einige Deutsche nicht.

Maries Tochter Doro, die Zwillingsschwester von Leo, spielt ebenso eine Hauptrolle in dem Roman. Sie ist Pilotin und technische Studentin und derselbe Wirbelwind, der sie schon als kleines Kind war.

Paul, einst in Summe Sympathieträger, verliert für mich mit jedem Jahr an Charme und Profil. Schade! Der umfangreiche Personalstab hat schon immer eine große in den Roman gespielt, aber dieses Mal war mir das zu viel Küche-Kochen-Tratsch-Alltag.

Insgesamt kommt der sechste Teil für mich in keiner Form an die anderen Teile heran. Marie ist weiter eine starke Frau, die ihren Weg geht, aber es stehen andere Personen im Vordergrund. Mir fehlte beim Lesen eine sich durch diesen Teil der Geschichte ziehende Identifikationsperson. Deshalb ist das aus meiner Sicht nur ein Lesetipp für alle, die Band 1-5 gelesen haben und das Ende wissen möchten.

Kennst Du die Tuchvilla-Saga?


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Lesetipp ***** Am Ende siegt die Liebe

Werbung – Rezensionsexemplar

Rueckkehr von Anne B Ragde - Band 6 - Das Finale der Lügenhaus-Serie

Rückkehr
von Anne B. Ragde

Deutsche Erstausgabe
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
Originaltitel Datteren, Originalverlag Oktober Forlag
Taschenbuch, Klappenbroschur, 368 Seiten
ISBN 978-3-442-77262-9
Erschienen am 9. November 2022 im btb Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Die Lügenhaus-Serie Band 1-6

Das fulminante Finale der erfolgreichen „Lügenhaus“-Bestsellerserie

Am Meer, in der Nähe der Stadt Trondheim in Norwegen steht ein alter Bauernhof, der ein großes Geheimnis birgt. Die bewegende Geschichte dreier Generationen von Schweinezüchtern begann in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit einer Liebe, die nicht sein durfte und einer folgenreichen Lüge, die die Familie Neshov fast zugrunde richtete. Erst Torunn, der Enkelin, gelang es, die Familie zu versöhnen.

Jetzt, im letzten Teil der Bestseller-Serie, beginnt Torunn, den verfallenen Hof wieder wohnlich zu machen. Und sie findet ihre Berufung in dem Bestattungsunternehmen ihres Onkels Margido. Doch ganz ihr persönliches Glück hat auch sie noch nicht gefunden. Zu sehr, so scheint es, hängt auch sie noch an den Geistern der Vergangenheit. Das ändert sich, als ein vermeintlich Fremder auf dem Hof auftaucht.“

Verlagstext

Rückkehr ist der sechste, letzte Teil der Lügenhaus-Serie. Ich empfehle unbedingt, die anderen Bände vorher zu lesen und zwar in der richtigen Reihenfolge, weil man sonst die Handlung und die Bezüge zwischen den Personen nicht versteht. Wer Band 1-5 mochte, wird dieses Buch verschlingen.

Ich habe es an einem Wochenende gelesen, mit den vorherigen ging es mir genauso, die ich teilweise selbst gekauft habe. Die bildhafte Sprache der Autorin mag ich sehr gerne. Ein Beispiel:

„Die halben Eier lagen ein bisschen zitternd auf dem glatten Porzellan, zwei weiß glänzende Boote mit einer matten Sonne in der Mitte, wie schön, dachte er, dieser Gelbton war mit nichts zu vergleichen.“

Tormod auf Seite 16

Wenn ich das lese, sehe ich die ganze Szene vor mir und habe das Gefühl, Teil der Geschichte zu sein. Geht Dir das auch so?

Achtung Spoiler!

“Denn jetzt bin ich an der Reihe.”

Torunns letzter Satz aus Band 5

Genau damit geht es weiter in Band 6. Torunn findet ihren Weg – beruflich, familiär und privat. Dabei lernt sie unter anderem, dass Menschen, die Tiere nicht verstehen, ihre Welt nicht verstehen.

Die Beziehung zu ihrer Mutter wird auf eine harte Probe gestellt, als sie beschließt, ihrem Nachnamen mütterlicherseits, Breiseth, den Namen ihres Vaters, Neshov, hinzuzufügen. Sie möchte dann Torunn Breiseth Neshov heißen, um den Bezug zu dem Hof, dem Bestattungsunternehmen und ihrer Familie väterlicherseits herzustellen.

Für die Mutter ist das ein herber Verrat, weil sie damals in der Familie Neshov nicht willkommen war und schwanger vom Hof gejagt wurde. Für Torunn ist der Namen eine Frage der Identität. Aber ist er den Bruch mit der Mutter wert? Sensible Freunde und Verwandte helfen den Beiden, einen Weg zu finden.

Eine Woche lang ist der Teil der Familie aus Dänemark zu Besuch, der in Band 4 die Hauptrolle hatte: ihr zauberhafter Onkel Erlend mit Ehemann Krumme und den beiden lesbischen Müttern ihrer drei Kinder. So viel Respekt Torunn davor hat, dass eine siebenköpfige Meute einfällt, so wunderbar wird die gemeinsame Zeit.

Dann wäre da noch die Frage mit der Liebe: Wer taucht auf dem Hof auf und ist er es, mit dem Torunn ihren neuen Weg gemeinsam gehen möchte? Um das zu erfahren, musst Du bis fast zum Ende lesen.

Für mich sind alle Handlungsstränge der sechs Romane am Ende rund verwoben, es bleibt nichts offen. Um Torunn herum könnte es für mich gerne weiter gehen, aber der Geist des Lügenhauses ist seiner Wege gezogen. Gut so!

Ist das eine Familiengeschichte nach Deinem Geschmack?


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Lesetipp ***** Leben zwischen Ost und West

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Kinder des Aufbruchs von Claire Winter

Kinder des Aufbruchs
von Claire Winter
Band 2 von bisher 2

Originalausgabe, Hardcover mit Schutzumschlag, 560 Seiten
ISBN 978-3-453-29266-6
Erschienen am 2. November 2022 im Diana Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Berlin 1967: Vier junge Menschen zwischen Verrat, Spionage und dem Kampf um die Demokratie

Sechs Jahre nach dem Mauerbau lernt die erfolgreiche Dolmetscherin Emma in West-Berlin die aus dem Ostteil der Stadt geflohene Sängerin Irma Assmann kennen. Als sie ihrer Zwillingsschwester Alice davon erzählt, reagiert diese beunruhigt. Alice schreibt als Journalistin über die Studentenbewegung und steht in Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfe-Organisationen. Ist Irma mit ihren ehemaligen Beziehungen zum KGB als Informantin im Westen? Oder sind die Schwestern und deren Männer Julius und Max durch ihre Verbindungen zur DDR zu Zielscheiben geworden? Kurz darauf wird die Sängerin ermordet, und die vier geraten inmitten der Studentenunruhen zwischen die Fronten der Geheimdienste.“

Klappentext

Band 1 – Kinder ihrer Zeit

Band 1 der Geschichte, Kinder ihrer Zeit, habe ich Dir kürzlich noch einmal vorgestellt, um den Bezug zu dieser Geschichte herzustellen. Wenn Du beide Bücher lesen möchtest, lies bitte Band 1 zuerst. Ich denke, dass man die Handlung aus Band 2 auch ohne Band 1 grundsätzlich versteht, aber nicht in der Tiefe und man spoilert sich selbst etwas, falls man dann doch noch den ersten Band lesen möchte.

Nun aber rein in Band 2 – Kinder des Aufbruchs!

Der Klappentext trifft zwar einen Teil der Handlung, aber für mich nicht den Wesentlichen. Er fasst zusammen, dass es schwer ist und unsicher sein kann, Menschen zu vertrauen, wenn man eine gemeinsame Geschichte in der DDR und im Spionagenetz hat. Aber die Handlung um Irma herum ist nur ein kleiner Teil des Romans.

Für mich stehen im Fokus die Paare Emma mit Julius und Alice mit Max. Alice ist als Journalistin dicht an den aktuellen politischen Ereignissen um Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke und versucht als Links-Intellektuelle gegen die Springerpresse anzuschreiben.

Alice und Max haben eine Tochter, die es gar nicht gut findet, dass ihre Mutter als einzige in der Klasse berufstätig ist. Familie und Job unter einen Hut zu bringen, ist leider ein Thema, dass 1967 so aktuell ist wie 2022. Max ist Anwalt und für damalige Verhältnisse ein moderner Vater, denn er übernimmt auch tagsüber Betreuungszeiten und arbeitet teilweise zu Hause.

Emma ist glücklich mit ihrer Arbeit als Dolmetscherin und in hohen politischen Kreisen unterwegs. Dennoch wünschen Julius und sich ein Kind. Emma leidet unter den psychischen Folgen einer Fehlgeburt und stellt ihr Leben in Frage. Dabei kommt Luca in ihr Leben, ein Junge im Grundschulalter, den sie bei einem Dolmetscherauftrag in einem Kinderheim kennenlernt. Sie beginnt, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Luca ist ein scheues Kind und hat offenbar ein gefährliches Geheimnis. Julius ist aus verschiedenen Gründen nicht begeistert von dem Band zwischen Emma und Lucas.

Auf einer Demo gleich zu Beginn der Handlung trifft Alice zufällig auf Fritz, einen alten Freund aus der DDR, dem gegenüber sie ein wahnsinnig schlechtes Gewissen hat wegen einer Tat, in die Irma und sie damals beide involviert waren, als sie noch in der DDR gelebt haben. Fritz wurde von Westdeutschland freigekauft und setzt alles daran, seine Schwester nachzuholen. Alice geht bei der Unterstützung von Fritz deutlich mehr Risiken ein, als Max recht ist. Für mich ist dieser Handlungsstrang der Kern der Geschichte.

Wie viel Wahrheit braucht ein Leben?

Und wie viel Vertrauen kann am Ende zu gefährlich sein? Kann man, wenn man einmal im Netz der Stasi, KGB, CIA und BND war, jemals wieder vollständig frei und unbeobachtet leben? Kommt immer wieder jemand an fordert das Begleichen einer offenen Rechnung an?

„Ich vermisse viele Menschen […] und dieses Miteinander und den Zusammenhalt, den es untereinander gab“ […] „Hier im Westen ist das anders.“

Fritz auf Seite 185 auf die Frage von Alice, ob er das Leben in der DDR manchmal vermisst.

Als in Westdeutschland sozialisierte Person frage ich mich immer, was mit diesem Miteinander und dem Zusammenhalt gemeint ist. Ich habe schon häufiger gehört, dass diese Begriffe von in Ostdeutschland sozialisierten Menschen verwendet werden und eine gewisse Sehnsucht danach besteht.

Gilt das nur für Menschen, die mit der Stasi nichts im Hut hatten? Mein Gefühl beim Lesen solcher Bücher und in Gesprächen ist eigentlich eher, dass man in der DDR immer vorsichtig sein musste, weil man nie wusste, wem man wirklich vertrauen kann. Nicht umsonst sind viele Freundschaften und Familien zerbrochen, nachdem die Stasi-Akten eingesehen werden konnten.

Letztlich ist das auch der Eindruck, der beim Lesen dieses Buchs entstanden ist: Das Messer rammt Dir am Ende der in den Rücken, den Du am wenigsten im Verdacht hattest, der Verräter zu sein. Aber vielleicht liegt das auch in der Freiheit der Romanerzählung.

Wie sieht es mit dem Miteinander und Zusammenhalt in Deinem Leben aus?


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Lesetipp ***** Leben in zwei Welten

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Kinder ihrer Zeit von Claire Winter

Kinder ihrer Zeit
von Claire Winter
Band 1 von bisher 2

Taschenbuch, Klappenbroschur, 592 Seiten
ISBN 978-3-453-36108-9
Erschienen am 11. Oktober 2021 im Diana Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

“Die Zwillinge Emma und Alice werden 1945 auf der Flucht aus Ostpreußen getrennt. Beide glauben, die andere hätte nicht überlebt. Emma wächst in Westberlin auf, Alice in einem Heim in der DDR. Erst zwölf Jahre später finden sie sich überraschend wieder.
Durch Alice lernt Emma den Ost-Berliner Physiker Julius Laakmann kennen. Als Julius Zeuge einer Entführung wird, gerät er zwischen die Fronten der Geheimdienste. Dann verschwindet Alice spurlos.
Zu spät erkennt Emma, welcher drohenden Gefahr sie und ihre Schwester gegenüberstehen. Währenddessen erreicht der Kalte Krieg einen neuen Höhepunkt – Berlin soll für immer geteilt werden …”

Klappentext

Aktualisierte Fassung des Beitrags vom 27. Juli 2020

Das Buch habe ich 2020 als Hardcover verschlungen und freue mich, dass 2022 – für mich überraschend – ein weiterer Band erschienen ist: Kinder des Aufbruchs. Auch die anderen Romane von Claire Winter habe ich gerne gelesen. Das ist eine Autorin, deren Schreibstil mich immer schnell gefangen nimmt.

In den letzten Jahren habe ich einige Bücher gelesen, die im geteilten Deutschland in der Nachkriegszeit spielen. Für mich sind besonders die 1950er und 1960er dabei interessant, weil ich sie nicht live erlebt habe. Kinder ihrer Zeit beginnt nach dem Prolog zwar 1945, springt dann aber schnell ins Jahr 1950, in dem die Haupthandlung beginnt. Es endet 1961 mit dem Mauerbau.

Die Handlung spielt in der meistens Zeit in West-Berlin, beleuchtet aber die Vorurteile und Vor- und Nachteile der DDR und BRD zum damaligen Zeitpunkt. Die Wege der Protagonisten in Berlin werden genau beschrieben, so dass ich beim Lesen das Gefühl hatte, mit ihnen durch die Straßen zu gehen. Da ich über Jahre hinweg immer wieder in Berlin zu Gast war, kenne ich mich ein bisschen in der Stadt aus.

Interessant ist mir für mich dabei immer wieder das Gedankenspiel, wie ich mich selbst in der Zeit verhalten hätte. Wäre ich als DDR-Bürger in Ost-Berlin in den Westteil geflüchtet und hätte ich der BRD leben wollen? Oder hätte mir der Grundgedanke des Sozialismus gefallen? Wie wäre das Verhältnis zur Stasi gewesen? Was für eine Einstellung hätte ich als BRD-Bürger in West-Berlin der DDR gegenüber gehabt?

Die Fragen sind letztlich ähnlich denen, die ich mir stelle, wenn ich an die NS-Zeit denke. Man weiß nie, wo man wirklich gestanden und wie man sich in der Lage verhalten hätte. Mehr möchte ich zum Inhalt des Buchs nicht verraten, falls Du es lesen möchtest. Wenn Du Band 2 – Kinder des Aufbruchs – lesen möchtest, lies am besten diesen Roman zuerst.

Kinder des Aufbruchs von Claire Winter

Sind das Romane für Dich?


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Lesetipp: Verrat und Rosenkrieg

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Das Unrecht von Ellen Sandberg

Das Unrecht
von Ellen Sandberg

Originalausgabe, Hardcover mit Schutzumschlag, 416 Seiten
ISBN 978-3-328-60254-5
Erschienen am 26. Oktober 2022 im Penguin Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Achtung Spoiler!

Ein Verrat, der Leben zerstörte. Eine Lüge, die Jahrzehnte verborgen blieb.

Jedes Jahr, wenn der Herbst naht, wird Annett von einer inneren Unruhe erfasst. Dann macht sich die Narbe an ihrem Arm bemerkbar, dann werden die Erinnerungen an den Sommer 1988 und an die Clique von damals wach. Fünf Freunde, die sich blind vertrauten, bis einer von ihnen zum Verräter wurde.

Jetzt, Jahrzehnte später, begreift Annett, dass sie ihren inneren Frieden erst finden wird, wenn sie sich der Vergangenheit stellt. Kurz entschlossen fährt sie nach Wismar. Zurück an die Ostsee, in ihre alte Heimat. Doch je mehr sie dort über die Ereignisse jenes Sommers herausfindet, umso deutlicher wird: Sie hätte die Vergangenheit besser ruhen lassen, denn der Verrat von damals reißt ihr Leben erneut in einen Abgrund …“

Klappentext

Das ist das fünfte Buch von Ellen Sandberg, das ich verschlungen habe. Samstagnachmittag wurde es als Vorab-Leseexemplar geliefert, Sonntagabend hatte ich es durch, obwohl ich nur einen halben Tag Zeit zum Lesen hatte. Weil das Buch heute offiziell erscheint, gibt es die Rezension ausnahmsweise an einem Mittwoch außer der Reihe.

In den spannenden Romanen von Ellen Sandberg geht es immer darum, dass jemand von seiner Vergangenheit eingeholt wird oder etwas zu Tage kommt, das offene Fragen klärt oder Licht in Familiengeheimnisse bringt. In Das Unrecht geht sie gar nicht so weit in die Vergangenheit zurück.

In den Rückblenden landen wir im Sommer 1988, an den ich mich bestens erinnern kann und in einem ähnlichen Älter war wie die Hauptprotagonisten. Allerdings lebte ich bei Hamburg, der Teil der Geschichte spielt in Wismar, als noch niemand die Grenzöffnung, geschweige denn eine Wiedervereinigung Deutschlands, für möglich gehalten hat. Meine Welt war also eine freie, die der Clique nicht.

Der Roman, erzählt aus den Perspektiven von Annett und Volker, beginnt nach dem Prolog damit, dass Annett und Mischa 1988 in Wismar ein Paar werden. Die Handlung springt dann nach Bamberg ins Jahr 2016, in dem Volker und Annett 28 Jahre als glückliches Paar ihre Silberhochzeitsfeier planen.

Was ist passiert, dass Annett aus der damaligen Clique nicht mehr mit Mischa zusammen ist und stattdessen Volker geheiratet und zwei Kinder mit ihm bekommen hat? Woher hat sie Narbe auf ihrem Arm und warum hat Volker offenbar tief sitzende Ängste, dass Annett ihn verlassen könnte, obwohl die beiden eine vertrauensvolle Ehe führen?

Im Klappentext steht, dass sie die Vergangenheit besser hätte ruhen lassen. Der Meinung bin ich nicht. Ja, ihre Welt bricht zusammen, als sie stückweise erfährt, was damals wirklich passiert ist. Aber als sie sich auf den Weg nach Wismar gemacht hat, hat sie bereits gespürt, dass mit Volkers Verhalten etwas nicht in Ordnung ist und sie sich nicht noch stärker an ihn binden möchte.

Erstmals nimmt sie das wahr, als sie auf der Suche nach einem neuen Job als Mediengestalterin ist. Weil es schwer ist, einen solchen in Bamberg zu finden, macht Volker ihr das Angebot, in die Geschäftsführung seines kleinen Immobilienunternehmens einzusteigen.

Dabei lässt er ihr allerdings keine wirkliche Wahl sondern versucht, ihr das aufzuzwingen. Er lässt ihr nicht einmal ein paar Tage alleine Zeit in Wismar, um in Ruhe darüber nachzudenken. Stattdessen trackt er ihr Auto über GPS und reist ihr nach.

Was am Ende ans Tageslicht kommt, kann man sich denken, wenn man Ort und Zeit betrachtet: Republikflucht, Stasi, Verhöre, Knast, Verrat und dessen Folgen. Dass Mischa und Annett in den Westen fliehen wollen, ist relativ bald klar in der Geschichte. Er spät erfährt man allerdings, ob sie es versucht haben, was dabei passiert sein könnte und warum Mischa in Annetts heutigem Leben keine Rolle mehr spielt außer in der Eifersucht ihres Ehemannes.

„Holzköpfe in Brand setzen? Geht mit Betonköpfen nicht. Die dann sprengen? Besprengen. Wasser, das in Haarrissen gefriert. Gefriergesprengt? Mit Worten das System sprengen?“

Seite 280 aus Mischas Notizen für Songs oder Gedichte

Nach dem Ende der Geschichte fiel mir dieses Zitat wieder ein. Es bezieht sich eigentlich auf das System der DDR. Passend ist es jedoch auch als Bild für die Ehe von Annett und Volker. Das Ehedrama beginnt mit leichten Haarrissen und schraubt sich die Konfliktstufen sauber hoch, bis es am Ende im Rosenkrieg gipfelt.

Der Epilog schließt den Kreis zum Prolog, den ich natürlich beim Lesen schon lange wieder vergessen hatte. Es bleibt das Gefühl, dass nichts auf der Welt sicher ist und Verrat und Rosenkrieg jeden treffen können.

Hätte sie Deiner Meinung nach besser die Vergangenheit ruhen und weiter unwissentlich eine Lüge leben sollen?