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Lesetipp ***** Wenn aus Gedanken Selbstjustiz werden könnte

Werbung – Rezensionsexemplar

Der Fremde von Caitlin Wahrer

Der Fremde
von Caitlin Wahrer

Deutsche Erstausgabe
Aus dem Englischen von Melike Karamustafa
Originaltitel: THE DAMAGE (vorher A KINDNESS, Autorenname Regan Rose)
Paperback, Klappenbroschur, 464 Seiten
ISBN 978-3-453-27346-7
Erschienen am 14. Juni 2022 im Heyne Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„Als ihr Schwager Nick nach einem brutalen sexuellen Übergriff im Krankenhaus liegt, ist Anwältin Julia fassungslos. Der Zwanzigjährige hat mit physischen Verletzungen und einem massiven Trauma zu kämpfen – und Julias Mann Tony, der sein Leben lang wie ein Vater für Nick gesorgt hat, wird von Wut und Verzweiflung aufgefressen. Der Verdächtige wird schnell gefunden, doch er bestreitet Nicks Aussage. Gleichzeitig verschlechtert sich Nicks psychischer Zustand dramatisch. Julia bemüht sich, ihre Familie zusammen- und den ermittelnden Polizisten Detective Rice auf Abstand zu halten. Doch Tonys Rachegefühle geraten außer Kontrolle, er macht Julia immer mehr Angst. Und schließlich muss sie sich fragen, wie weit Tony gehen wird, um seine Familie zu beschützen …“

Verlagstext

Den Roman habe ich in Nicoles Blog Life with a glow entdeckt und sie war so lieb, mir das Rezensionsexemplar weiterzureichen. Danke! Da freut sich auch der Verlag, wenn Blogger_innen sich die Bücher teilen. Ihre Rezension findest Du im Beitrag Der Fremde- anders als erwartet.

Ebenso wie Nicole bin ich der Meinung, dass die Bezeichnung Roman die Geschichte nicht trifft. Das ist eher ein Psychotriller. Warum? Die Autorin baut subtil Spannung auf und ich habe dermaßen mit den Protagonisten mitgefiebert, dass ich wirklich gefangen genommen war von der Geschichte.

Ein Teil der Spannung wird dadurch erzeugt, dass zwei Erzählstränge aufeinander zulaufen. Das Buch beginnt 2019 damit, dass Julia Detective Rice privat besucht, der sich im Ruhestand befindet und durch eine Krebserkrankung auf das Ende seines Lebens zugeht.

Rice möchte den Fall mit Julia inoffiziell nochmal besprechen. Ihr sagen, was er für Fehler gemacht hat, und Dinge von ihr für seine Wissenslücken erfahren. Nach dem Eintreffen von Julia bei Rice springt die Handlung ins Jahr 2015, in dem der sexuelle Übergriff passiert ist. In dem einem Strang reden Julia und Rice 2019 darüber, was 2015/2016 passiert ist. In dem anderen bist Du als Leser_in 2015/16 live dabei.

Dass das Buch kein sommerlicher Plätscher-Roman sein kann, ist klar. Wozu Menschen am Ende vielleicht fähig sind wie tief absichtliche und versehentliche Handlungen ineinander verzahnt sein können, ist Grundlage der Story.

„Es ist so leicht, gut zu sein, wenn die Dinge gut laufen.“

Elisa auf Seite 453

Dieses Zitat fasst das Dilemma der Vorkommnisse am bestens zusammen. Die Geschichte ist krass und fesselnd. Die eindringliche Sprache lässt Dich das Buch nicht aus der Hand legen.

Weil die Themen sexuelle Gewalt, Opferrolle, Gerichtsumstände, fragile Familiensysteme und der Wunsch nach Selbstjustiz jeden treffen können, finde ich es immer wieder interessant, sich in andere Perspektiven hineinzuversetzen.

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Lesetipp ***** Drei Frauen in den 1920ern gehen ihren Weg

Werbung – Rezensionsexemplar

Die Radioschwestern von Eva Wagendorfer


Die Radioschwestern – Klänge einer neuen Zeit
Die Radioschwestern, Band 1
von Eva Wagendorfer

Originalausgabe
Paperback , Klappenbroschur, 432 Seiten
ISBN 978-3-328-10796-5
Erschienen am 8. März 2022 im Penguin Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„Drei starke Frauen und ihr mutiger Weg in eine neue Zukunft
Frankfurt, 1927: Ihre Zukunft ist das Radio – da sind sich Gesa, Inge und Margot sicher. Die Freundinnen haben eine Stelle bei einem neu gegründeten Radiosender ergattert und träumen nun von einer glänzenden Karriere. Gesa möchte Hörspielsprecherin werden, die lebenshungrige Inge als berühmte Sängerin die Bühnen der Welt erobern, und Margot möchte endlich als Cellistin von ihren männlichen Kollegen im Rundfunkorchester anerkannt werden. Denn obwohl eine kreative Aufbruchsstimmung in der Luft liegt, müssen die jungen Frauen gegen alte Konventionen ankämpfen. Unterstützung bekommen sie vom neuen Intendanten, zu dem sich Gesa immer mehr hingezogen fühlt. Voller Tatendrang blicken die Freundinnen in die Zukunft, um ihren gemeinsamen Traum wahr werden zu lassen: Endlich frei und glücklich zu sein!“

Verlagstext

Frei und glücklich zu sein, träumt sich leichter, als es in Erfüllung geht. Sowieso und als Frau im 20. Jahrhundert eh. Die drei Freundinnen haben Pläne und wollen ihr Leben selbst in die Hand nehmen, was die finanzielle Versorgung und ihre Berufswahl beinhaltet. Das versteht 1927 nicht jeder Mann, der ihnen über den Weg läuft.

Sexistische Kackscheisse

Mein Bild aus der Kategorie Ohne Worte von neulich passt exakt zu dem, was Margot im rein männlichen Rundfunkorchester passiert. Inge hingegen schlägt zu Beginn einen anderen Weg ein und ist durchaus bereit, körperlichen Einsatz für die Karriere zu zeigen. Dass das auf Dauer meistens nicht bekömmlich ist, ist nichts Neues. Gesa ist in der Hinsicht klarer unterwegs, schleppt aber die Vergangenheit mich sich herum, denn ihre Tante möchte sie gegen ihren Willen verheiraten.

Mir hat an dem Roman die bildhafte Sprache gefallen. Ich kenne in Frankfurt den Hauptbahnhof, den Flughafen und den ÖPNV dazwischen. Also von der Stadt an sich im Grunde nichts. Eva Wagendorfer hat es mit der Geschichte geschafft, dass ich beim Lesen die detailreich beschriebenen Orte vor Augen zu haben glaubte und mit den drei besonderen Frauen durch die Gegend gezogen bin.

Gut gemacht fand ich außerdem, dass die Kapitel jeweils aus der Sicht einer der Hauptdarsteller_innen geschrieben sind und mit einem Zitat beginnen, das Leistungen oder Lebensmomente besonderer Frauen dieser Zeit hervorhebt.

Schnell zu lesen, tief einzutauchen und am Ende eine Aussicht auf eine Fortsetzung: mag ich! Band 2 – Melodien in einer neuen Welt soll am 15. März 2023 erscheinen und steht auf meiner Wunschliste.

Die Radioschwestern von Eva Wagendorfer

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Lesetipp ***** Ü60 und was nun?

Werbung – Rezensionsexemplar

Traumfrau mit Ersatzteilen von Amelie Fried

Traumfrau mit Ersatzteilen
von Amelie Fried

Originalausgabe
Paperback , Klappenbroschur, 416 Seiten
ISBN 978-3-453-27297-2
Erschienen am 31. August 2022 im Heyne Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„Sechzig werden? Eine Zumutung für Traumfrau Cora Schiller, die ihren runden Geburtstag am liebsten ignorieren würde. Aber plötzlich wollen alle von ihr wissen, welche Träume sie sich erfüllen möchte, bevor es zu spät ist. Ein Start-up gründen? Den Kilimandscharo besteigen? Dabei wünscht sie sich eigentlich nur, dass alles so bleibt, wie es ist. Als sie eine schockierende Mitteilung erhält, wacht Cora auf und begreift: Leben ist das, was passiert, während man gerade andere Pläne hat.“

Verlagstext

Die beiden Vorläufer Traumfrau mit Nebenwirkungen und Traumfrau mit Lackschäden kenne ich nicht. Macht nichts, die Traumfrau mit Ersatzteilen war gut solo lesbar. Weil es in dieser Woche erschienen ist und ich es vorab lesen durfte, gibt es einen Blogbeitrag außer der Reihe. Morgen kannst Du dann endlich lesen, was ich im August gelernt habe.

Nach einem tiefgründigen Thriller, den ich Dir im September vorstelle, war mir im August genau nach so einem Sommerroman zu Mute. Leichte Unterhaltung, schnell zu lesen und doch immer wieder im Kern Punkte treffend, die jede von uns irgendwann berühren.

Wobei ich beim Lesen immer mehr zu dem Entschluss kam, dass die Unterhaltung doch nicht so leicht ist, denn die Themen wurden im Verlauf ganz schön ernst. Sie blieben aber smart verpackt, so dass ich zwar einmal weinen musste, aber mehrheitlich mit und über Cora und ihr Ü60-Leben schmunzeln konnte.

Es geht um Fragen nach der Vergänglichkeit des Körpers, Veränderungen von Prioritäten in der Partnerschaft und mit Freundinnen, Vorstellungen vom Leben im letzten Drittel.

Der normale Wahnsinn im Leben einer Mittelschichtfamilie

Cora geht nach längerer Zeit zur Krebsvorsorge, zu der sie freundlich von ihrer Ärztin eingeladen wurde, und was hat sie davon: statistische Fragen am Hals und zu treffende Entscheidungen.

Ihr Mann Ivan, Künstler, ist schon vor zehn Jahren zu ihrem 50. aus der gemeinsamen Wohnung in sein Atelier umgezogen. Er geht bei Bedarf und Lust auf Sex mit seiner Frau aber dennoch in der offiziell noch gemeinsamen Wohnung aus und ein.

Freundin Uli nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, aber was steckt dahinter? Freundin Hella ist hingegen bereit, Cora immer zu unterstützen, wenn auch teils mit ungewöhnlichen Mitteln.

Sohn Paul verlobt sich mit Freundin Janina, die für seine Eltern nicht spießiger sein könnte. Was tun, um Paul nicht zu verlieren und ihn dennoch seinen eigenen Weg gehen lassen? Pauls Ex-Freundin Marie wäre so viel mehr nach Coras Geschmack.

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Lesetipp ***** Das Pariser Haus

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Abendrot von Lucy Foley

Abendrot
von Lucy Foley

Deutsche Erstausgabe
Aus dem Englischen von Ivana Marinović
Originaltitel The Paris Apartment, Originalverlag HarperCollins, London 2022
Paperback, Klappenbroschur, 480 Seiten
ISBN 978-3-328-60228-6
Erschienen am 25. Juli 2022 im Penguin Verlag (Werbung)
Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Schweigsame Nachbarn. Verschlossene Türen. Tödliche Geheimnisse.

Ein einsames Haus am Ende einer verwinkelten Seitengasse im Pariser Stadtviertel Montmartre: Pleite und nur mit einem einzigen Koffer in der Hand steht Jess vor der Tür ihres Bruders, der versprochen hat, sie für ein paar Wochen bei sich wohnen zu lassen. Doch sie findet seine Wohnung leer vor – es scheint, als habe er sie überstürzt verlassen. Die Nachbarn machen keinen Hehl daraus, dass Fremde in diesem Haus nicht willkommen sind. Je länger ihr Bruder verschwunden bleibt, desto mehr fühlt Jess sich beobachtet in dem alten Gebäude mit seinen geheimen Durchgängen und vielen verschlossenen Türen. Immer unerbittlicher wächst in ihr der Verdacht, dass dieser Ort ein schreckliches Geheimnis verbirgt. Und auch unter den Nachbarn suchen sich lang begrabene Feindseligkeiten ihren gefährlichen Weg ans Licht. Dann macht Jess eine unfassbare Entdeckung. Und die Situation im Haus eskaliert …“

Klappentext

Von Lucy Foley habe ich Dir bereits die Thriller Neuschnee (ausgeborgt) und Sommernacht (Rezensionsexemplar) empfohlen, den ich 2020 von einer Freundin ausgeborgt und verschlungen habe. Auch bei dem dritten Thriller der Autorin ging es mir so: in die Hand genommen und direkt von der Geschichte gefangen genommen worden.

Abendrot ist definitiv ein Pageturner und in der Mitte musste ich bis zum Ende vorblättern, weil ich die Spannung nicht mehr ausgehalten habe. Meine Entschuldigung dafür: Ich war abends alleine im Haus. Aber selbst trotz meines Vorluscherns gab es dermaßen viele Puzzleteile, dass es bis zum Ende spannend blieb.

Während in den ersten beiden Büchern eine Gruppe an Freunden an einem Ort fest zusammen war und es jeweils eine Leiche gab, von der man lange nicht wusste, wer es ist, ist bei Abendrot das noble Haus in Paris der zentrale Ort der Handlung.

Die Protagonisten sind in dem alten Haus aber nicht gefangen wie in dem Schneesturm oder auf der Insel, sondern können sich frei inner- und außerhalb des Hauses und in der Stadt bewegen.

Die Hauptprotagonisten sind

  • die Concierge ohne dem Leser bekanntem Namen
  • Antoine und Ehefrau Dominique aus dem Erdgeschoss
  • Nick aus dem 1. Stock
  • Ben als Neuzugang im 2. Stock, in dem dann seine Schwester Jess übergangsweise lebt
  • Mimi und Mitbewohnerin Camille in der 3. Etage
  • die geheimnisvolle Sophie mit patriarchischem Ehemann Jaques, der viel auf Reisen ist, im Penthouse mit Dachterrasse samt Blick bis zum Eifelturm.

Nick und Ben haben vor über zehn Jahren zusammen in Cambridge studiert und sich nach einer Interrailtour durch Europa aus den Augen verloren. Als es Ben nach Paris verschlägt sucht er erneut den Kontakt zu Nick und dieser bietet ihm das freie Appartement in dem Haus spottgünstig zur Miete an.

Ben fragt sich von Anfang an, warum das Appartement so günstig ist, welche Rolle Nick in dem Haus spielt und was es mit anderen Bewohnern auf sich hat. Keiner scheint sich grün zu sein, aber alles scheint zusammenzuhängen. Als Journalist ist sein Instinkt geweckt.

Jess und Ben sind Halbgeschwister. Sie haben die gleiche Mutter, die sich in deren Kindheit das Leben genommen hat, und verschiedene Väter, die sich nicht um sie gekümmert haben. Ben hatte das Glück, von einer reichen Familie adoptiert zu werden und in Cambridge studieren zu können. Jess wurde bis zur Volljährigkeit von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht und schlägt sich mit Barkeeper-Jobs durchs Leben.

Der Thriller beginnt in dem Moment, in dem Ben auf das Eintreffen von Jess wartet und wenig begeistert davon ist, dass sie gleich in Paris eintrudeln wird. Als Jess dann vor seiner Tür steht, öffnet er nicht. Sie verschafft sich mit ein paar Tricks Zugang zum Haus und stellt fest, dass er spurlos verschwunden ist.

Jess macht sich auf die Suche nach Ben und versucht herauszufinden, an was er gearbeitet hat und warum die Mitbewohner des Hauses sie offenbar als Bedrohung empfinden. Man will sie schnellstmöglich herauskomplimentieren, aber sie denkt, dass der Schlüssel zum Finden von Ben dort liegt, und bleibt. Mehr kann ich Dir jetzt leider nicht verraten.

Aber bitte verrate Du mir eins, wenn Du das Buch gelesen hast: Wofür steht der deutsche Titel? Ich habe kein Ahnung, was damit gemeint ist.

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Lesetipp ***** Von Rassismus, Wut und kreativer Power

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Ich bin von Bisrat Negassi

Ich bin
Wut Mut Flucht Eritrea Germany Mode Liebe
von Bisrat Negassi

Paperback, Klappenbroschur, 272 Seiten
ISBN 978-3-442-31602-1
Erschienen am 9. Mai 2022 im Goldmann Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„ICH BIN zeichnet die Lebensreise der Hamburger Designerin Bisrat Negassi nach. Anfang der Siebzigerjahre in Asmara, der Hauptstadt Eritreas, geboren, erlebte Bisrat bereits als Kind die grausame Realität des Krieges. Als Bisrats Vater sich auf einer Todesliste wiederfand, verließ die Familie das Land und erreichte nach zwei Jahren Flucht Deutschland. Statt Zugehörigkeit zu erfahren, sah Bisrat sich dort jedoch mit etwas konfrontiert, das sie vorher nicht kannte: Rassismus. Und wurde wütend. Doch sie beschloss, dass Wut nicht der richtige Ratgeber ist, stattdessen ließ sie daraus eine kreative Power entstehen und vertraute ganz auf ihren Mut. Bisrat wurde Modedesignerin und rief nach einer Initiation bei XUYL.Bët in Paris ihr eigenes Modelabel NEGASSI ins Leben. 2016 co-gründete sie in Hamburg den Artspace M.Bassy, um kreativen Stimmen aus Afrika und der Diaspora Raum zu bieten und Begegnungen zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen zu zelebrieren. 2020 co-gründete sie das transnationale Atelier/Netzwerk COME iN TENT. Heute ist Bisrat Modedesignerin & Kuratorin.“

Verlagstext

Melanie Raabe schreibt über diese Autobiographie im Vorwort, dass sich alle großen Themen unsere Zeit darin wiederfinden: die Düsternis von Krieg, Flucht, Rassismus – und das Licht von Resilienz, Wachstum, Familie, Freundschaft, Liebe, Kreativität. Das benennt genau das, was ich beim Lesen auch gespürt habe.

Die ersten 65 Seiten umfassen die Zeit der Kindheit von Bisrat Negassi, von unbeschwerten Kindheitstagen in Eritrea bis zur Flucht über den Sudan, die dann in Deutschland endet. Ab dem Eintreffen der Autorin in Deutschland wird das Buch sprachlich deutlich emotionaler.

Während ich den ersten Teil bis zum Eintreffen in Deutschland mehr als zeitliches Ablaufdokument – natürlich mit intensiven Gefühlen, aber eben doch dokumentarisch – gelesen haben, spielten danach die Emotionen beim Lesen für mich mehr eine Rolle als die Stationen des Lebenslaufs.

Nicht aufhörender Alltagsrassismus

Die Sichtweisen der Autorin empfinde ich zum Teil als sehr absolut und hart urteilend. Aber vielleicht kann man kaum anders sein, wenn man als Schwarze – sie nennt sich selbst so, deshalb verwende ich das Wort – in einer primär weißen Welt seinen Weg finden muss?

Ich hatte vor einer Weile hier im Blog einen externen Beitrag verlinkt, bei dem um die Frage ging, ob es positiv höflich-interessiert ist oder anmaßend-impertinent, als weiße Deutsche jemanden mit andersfarbiger Haut oder wie auch immer anderem Aussehen zu fragen, wo derjenige oder seine Familie herkommt.

Wir wissen alle, dass die Antwort oft Hamburg lautet und nicht Ankara, auch wenn der erste Blick vielleicht eine andere Vermutung zugelassen hat. Den damaligen Beitrag finde ich online nicht mehr, aber ein Video aus diesem Jahr auf ZEIT ONLINE mit dem Titel Wenn die Frage „Woher kommst du?“ zur Belastung wird.

Die Aussagen in dem Film treffen meinem Eindruck nach ganz gut, worum es Bisrat Negassi beim Thema Alltagsrassismus geht. Deshalb habe ich mir die Frage inzwischen komplett abgewöhnt, auch wenn ich persönlich manchmal noch so neugierig bin.

Wenn man täglich von Kleinigkeiten bis zu absoluten Unmöglichkeiten das Gefühl hat, sich für seine Hautfarbe oder Haarstruktur oder was auch immer rechtfertigen zu müssen und aktiv ausgegrenzt wird, kann ich am Ende verstehen, wenn man im Punkt Alltagsrassismus eine Null-Prozent-Toleranzschwelle entwickelt.

Mir reicht ja schon, was ich mir als weiße, in Hamburg geborene Frau manchmal von Männern anhören muss. Da möchte ich nicht erleben, was auf einen zukommt, wenn man nicht nur eine Frau ist, sondern auch noch eine mit brauner Haut (so benennt sie ihre Hautfarbe).

Ich lese gerne Biografien, die sich von meinem Leben deutlich unterscheiden, um den Horizont zu erweitern. Beeindruckend bei dieser finde ich die Geradlinigkeit der Autorin und dass sie ihre Wege korrigiert, wenn sie spürt, dass sie ihr nicht gut tun.

Sich durchzusetzen, wo es wichtig ist, für sich einzutreten, wo man ansonsten das Gefühl hat, daran einzugehen. Aus ihrer Wut wurde meinem Eindruck nach ein kreatives, erfülltes Leben, in dem Eritrea und Deutschland beide einen Platz haben. Und Paris. Und viele andere Plätze auf dieser Welt.

Wie gehst Du mit Wut um, wenn Du Dich ungerecht behandelt fühlst? Nimmst Du Alltagsrassismus war?