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Lesetipp: Kuckuckskind

Werbung – Rezensionsexemplar

Romy Maedchen die pfeifen von Felicitas Fuchs

Romy. Mädchen, die pfeifen
Mütter-Trilogie Band 3
von Felicitas Fuchs

Originalausgabe, Paperback, Klappenbroschur, 592 Seiten
ISBN 978-3-453-42644-3
Erschienen am 12. Juli 2023 im Heyne Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

Mütter-Trilogie

Band 1 Minna. Kopf hoch, Schultern zurück habe ich nicht gelesen. Band 2 Hanne. Die Leute gucken schon habe ich Dir im Februar 2023 empfohlen. Heute stelle ich Dir Band 3 Romy. Mädchen, die pfeifen vor.

„Bad Oeynhausen 1983: Die 23-jährige Romy arbeitet in einer Diskothek. Sie ist schon früh zu Hause ausgezogen, weil sie sich mit ihrer Mutter Hanne nie gut verstanden hat. Nach außen wirkt sie stark und selbstbewusst, doch im Innersten ist sie sehr verletzlich. Als sie die Hochzeit mit ihrer großen Liebe Falco vorbereitet, stolpert sie in den Familienpapieren über einen Namen, den sie nicht kennt, und es reißt ihr den Boden unter den Füßen weg. Romy macht sich auf die Suche nach der Wahrheit, ohne ihrer Mutter Hanne davon zu erzählen.“

Verlagstext

Romy. Mädchen, die pfeifen

Mein Beitragstitel ist nicht ganz korrekt. Bei Kuckuckskindern wissen weder Kind noch vermeintlicher Vater, dass der Mann nicht der Erzeuger des Kindes ist. Bei Romy weiß es ihr Ziehvater, lediglich sie war darüber unwissend. Da es in dem Buch aber um die Perspektive von Romy und nicht ihres sozialen Vaters geht, finde ich den Titel dennoch passend.

Was macht es mit einem, wenn man mit Anfang 20 erfährt, dass der vermeintliche Vater nicht der biologische ist und einem das die ganze Zeit über verschwiegen wurde? Das muss gruselig sein. Ich kenne jemanden mit so einem Fall und die Person hat das enorm aus der Bahn geworfen, als zum 18. Geburtstag Post vom Jugendamt kam.

Krass ist bei dieser Trilogie, dass sie im Kern auf der wahren Familiengeschichte der Autorin basiert. Frei nach dem Motto: Sowas kann man sich nicht ausdenken.

In Band 3 steht Romy im Vordergrund. Oma Minna ist verstorben, Mutter Hanna lebt ihr Leben weiter nach der Prämisse Was sollen denn die Leute denken. Fassade ist alles. Gar nicht so einfach, die in einer Familie mit vielen Alkoholikern und Menschen mit geschäftlich schlechtem Händchen aufrecht zu halten.

Der Roman spielt zwischen 1978 und 2019 und umfasst das Ende von Romys Ausbildungszeit im Hotelgewerbe bis zu ihrem Leben als erwachsene Frau mit eigener Familie, die in die dritte Generation geht.

Auf der Innenseite des Buchs sind Fotos abgedruckt, eins davon zeigt Romy und ihre zwei Söhne. Dass sie trotz schwieriger Geld- und Partnerschaftsverhältnisse eine Familie gründet, spoilert der Verlag also selbst.

Romy ist ihr ganzes Leben damit beschäftigt, neben ihrer Mutter wachsen zu lernen. Sie kann es Hanne nie recht machen und versucht, den Kopf immer irgendwie über Wasser zu halten und sich und ihre Partner finanziell über die Runden zu bringen.

Meine Enkeltochter geht auf die Höhere Schule, als Erstes in der Familie. […] aus ihr wird mal was werden, sie wird es besser haben als unsereins.“

Felicitas Fuchs, Romy. Mädchen, die pfeifen, Heyne Verlag, Seite 13 Worte von Oma Minna über Romy

Tatsächlich wird aber wirklich was aus ihr – in dem Sinn, dass sie konsequent die Verantwortung für ihr Handeln übernimmt, nie zu früh die Hoffnung aufgibt – eher zu spät, sie beruflich einen erfolgreichen Weg geht, obwohl ihr immer wieder Schuldenberge vor die Füße gelegt werden. Romy bekommt ihre Söhne auf für damalige Zeiten ungewöhnliche Wege großgezogen und lässt sich das Leben nicht von einem Mann diktieren.

1983 erfährt Romy kurz vor der Hochzeit mit Falco über die Abstammungsurkunde, dass Otto nicht ihr Erzeuger ist. Die volle Wahrheit in Bezug auf ihren Erzeuger, wie es zu Hannes Schwangerschaft kam und was Minna mit dem ganzen Konstrukt zu tun hat, erfährt sie erst 2017. Hanna ist so gefangen in ihrem eindimensionalen Denken, dass sie das Lebensgeheimnis am liebsten mit ins Grab nehmen würde.

Dieser dritte Band hat mir richtig gut gefallen. Aus meiner Sicht lässt er sich unabhängig von den anderen beiden Bänden lesen, wenn Du nur ein Buch aus der Trilogie lesen möchtest. Ich denke, dass die zentralen Handlungsstränge auch ohne Kenntnis der ersten beiden Bände zu verstehen sind. Natürlich nicht in der ganzen Tiefe, aber erfassbar.

Besonders schön fand ich als Leserin, dass das Buch ab 1978 in einer Zeit spielt, an die ich mich erinnern kann und aus der ich bisher nur wenige Romane gelesen habe.

Sind die Trilogie oder dieser dritte Band etwas für Dich?

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Lesetipp: Klaras Weg – Band 1

Werbung – Das Buch ist selbst gekauft, aber mit dem Verlag kooperiere ich ansonsten mit Rezensionsexemplaren.

Traumfrauen Petticoat und große Freiheit von Anna Jessen

Traumfrauen. Petticoat und große Freiheit, Band 1
von Anna Jessen

Originalausgabe, Paperback , Klappenbroschur, 432 Seiten
ISBN 978-3-442-20644-5
Erschienen am 11. Mai 2023 im Goldmann Verlag (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„Hamburg 1957: Die 20-jährige Klara Paulsen bewirbt sich als Bürokraft bei der Frauenzeitschrift »Claire«. Ihr Vater ist im Krieg gefallen, und Klara hält sich und ihre Mutter als Aushilfe in einem Fotoatelier über Wasser. Sie möchte endlich einen richtigen Beruf, doch in der Personalabteilung des Verlags winkt man ab. Da kommt ihr das Schicksal zu Hilfe: Niemand ist greifbar, um die Fotos für die nächste Ausgabe zu entwickeln. Klara übernimmt spontan und wird als Fotoassistentin angestellt. Sie ist überglücklich und kann nicht ahnen, dass dies der Beginn eines ganz neuen, aufregenden Lebens sein wird. Allerdings muss sie sich immer wieder gegen Intrigen wehren. Nur der schüchterne Fotograf Heinz Hertig ist ihr wohlgesonnen, und schon bald verbindet die beiden mehr als nur der Beruf …“

Verlagstext

Klara hat es nicht leicht im Leben, gibt sich aber – mit Erfolg – die größte Mühe, sich davon nicht unterkriegen zu lassen, sondern alle Optionen auszuschöpfen, die sich ihr bieten. Schon als Kind war sie in Tauschgeschäften auf dem Schwarzmarkt erfolgreich und hat damit zum schmalen Haushaltseinkommen beigetragen.

Ihre Ausbildung zur Sekretärin bezahlt sie aus eigener Tasche von dem Geld, das sie im Fotoatelier Buschheuer als Aushilfe verdient. In den Jahren als Aushilfe lernt sie bei Alfred Buschheuer so viel, dass sie eigentlich selbst als Fotografin arbeiten könnte. Eine Ausbildung in dem Bereich war damals für eine Frau offenbar undenkbar.

Wenn es nach ihrer Mutter gegangen wäre, hätte sie sich direkt einen Mann als Versorger geangelt. Ihre Mutter war einmal eine stolze und gebildete Frau, die vom Krieg um ihr Leben betrogen wurde (vgl. Seite 168). Klara entscheidet sich lieber dafür, alleine durchs Leben zu gehen, als sich in die Abhängigkeit einer Ehe zu begeben.

Sie hatte „Angst, so zu werden wie die meisten Frauen, die heirateten – ohne eigenes Leben. Ohne Aussicht auf spannende Tätigkeiten, […] ohne Aussicht auf eine Karriere.“

Seite 354f

Auf ihrem Weg lernt sie Schneiderin Elke und Friseurin Rena kennen, die schnell ihre Freundinnen werden. Auch im Verlag findet sie in einigen Kolleg_innen Menschen, die ihr gut tun.

„Das Selbstverständnis, die Welt zu beherrschen, das war es, was Männer den Frauen voraus hatten.“

Seite 306

Beim Lesen habe ich oft gedacht, dass Klara laut #MeToo schreien müsste. Unfassbar, was für unverschämte Selbstverständlichkeiten sich die Herren im Verlag ihr gegenüber herausnehmen. Sie kann nicht alles aus dem Weg räumen, dafür ist die Zeit final bis heute nicht reif. Aber sie tut alles im Rahmen ihrer Möglichkeiten, sich als Frau und Kollegin gleichwertig zu positionieren und hinterfragt die Rollenbilder, die andere Frauen leben.

Neben der Lebensgeschichte von Klara und ihren sympathischen Wegbegleiter_innen war für mich beim Lesen besonders schön, dass die Schauplätze in Hamburg so genau beschrieben wurden. Ich war gedanklich die ganze Zeit mit Klara zu Fuß in Hamburg zwischen Elbe, Kiez und Alster unterwegs. Am 23. August geht es weiter mit Band 2 Minirock und neue Zeiten. Freue mich schon jetzt darauf!

Ist das ein Roman für Dich?

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Lesetipp: Dieser eine Sommer

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Wer braucht schon Wunder von Anne Mueller

Wer braucht schon Wunder
von Anne Mueller

Originalausgabe, Hardcover mit Schutzumschlag, 240 Seiten
ISBN 978-3-570-10511-5
Erschienen am 11. Mai 2023 im Verlag C. Bertelsmann (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„Sommer 1983: Lika hat endlich das Abitur in der Tasche. Bevor sie die norddeutsche Heimatstadt Kappeln, ihren Vater und kleinen Bruder verlassen und in ein neues Leben eintauchen wird, fängt sie als Bedienung bei Fränki im Kakadu an. Kellnerin Biggi ist hier die gute Seele, auch wenn es privat alles andere als rund läuft bei ihr. Der Kakadu wird für Lika schnell zu einer Art Ersatzfamilie. Das liegt auch am französischen Koch, der sie mit seinem Charme und seinen Kochkünsten umwirbt. Ob Picknick beim Segeln oder nächtliches Schwimmen, durch Antoine entdeckt Lika in diesen sommersatten Wochen ganz neue Facetten der Liebe. Aber es wird auch ein Sommer der schmerzlichen Wahrheit, denn Lika erfährt etwas über ihre verstorbene Mutter, was sämtliche Gewissheiten erschüttert.

Warmherziger Humor und eine leise Melancholie – in ihrem unverwechselbaren Sound erzählt Anne Müller vom Weggehen und Aufbrechen und vom Erwachsenwerden. Vor dem einzigartigen Hintergrund der Schleilandschaft weckt die Autorin die frühen 80er Jahre zum Leben.

Verlagstext

1983 ging als Jahrhundertsommer des 20 Jahrhunderts in die Wettergeschichte ein und genauso erinnere ich diesen Sommer. Die Schule begann nach den Sommerferien direkt mit Hitzefrei an mehreren Tagen.

Ich kam in die 7. Klasse und weiß noch genau, was mein Look in diesem Sommer war: Supermini-Jeansrock genäht aus einer Röhrenjeans, die einer Krankenhausschere zum Opfer gefallen war – sowas kennt Bloggerin Fran mit einer Latzhose – und einem rosa-weiß-hellblau gestreiften Top, das eigentlich ein Unterhemd war und die nächsten 20 Jahre mitgewachsen ist.

Für Lika als Abiturientin besteht die Mode des Sommers aus Karottenhose und schwarzem Bigshirt, seitlich geknotet (vgl. Seite 96). Sie war mir weit voraus!

Lika kann ihr Glück kaum fassen, wie traumhaft ihr letzter Sommer zu Hause in Kappeln an der Schlei ist und genießt jede Stunde samt lauen, romantischen Nächten. Norddeutschland ist ansonsten eher für nasse Sommer bekannt – damals zumindest noch – so dass sie seit Kindertagen etwas Ungewöhnliches führt: ein Regentagebuch.

„Liebe den Regen! Denn wenn du es nicht tust, regnet es trotzdem.“

Seite 35, Widmung ihrer Mutter im Regentagebuch

Begonnen auf Initiative ihrer Mutter im Regensommer 1975 führt sie es bis 1983. Sie findet 50 Regenformen, die sie in Arten und Gefühlen beschreibt (vgl. Seite 34 f): Egal-Regen, Regen als Gefängnis, Spaßverderber-Regen …

„Das Leben ist wie eine Jukebox, wenn Du nicht selbst deine Lieder auswählst, musst Du den Scheiß der anderen anhören!“

Antoine auf Seite 100

Im Kakadu, von Biggi so treffend als „Fundbüro für verlorene Seelen“ (Seite 19) bezeichnet, lernt Lika im Sommer 1983 fürs Leben. Sie erkennt, was verzwickte Lebensläufe aus Menschen machen können und wie wichtig es für sie ist, sich weiterzuentwickeln und ins Studium in eine andere Stadt zu gehen – wohin sie das auch immer führen mag.

Dieser eine Sommer zwischen Jugend und Erwachsen werden – der ist etwas ganz Besonderes. Es war mir eine Freude, Lika in diesem Sommer zu begleiten, auch wenn das bei mir keine 24 Stunden gedauert hat. Ein schönes Sommerbuch samt norddeutscher Gelassenheit, das mich zu lautem Lachen und gerührtem Schlucken verführt hat.

Kennst Du Romane von Anne Müller? Ist dieser etwas für Dich?

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Lesetipp: Kinderverschickung in den 1960ern – zwischen Erholung und Qual

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Gezeitenkinder von Luise Diekhoff

Gezeitenkinder
von Luise Diekhoff

Hardcover mit Schutzumschlag, 400 Seiten
978-3-453-27353-5
Erschienen am 29. März 2023 im Verlag Heyne Hardcore (Werbung)
Eine Leseprobe und Bestellmöglichkeiten bei diversen Händlern findest Du auf der Verlagswebsite.

„Norderney 1962: Die junge Hanna fängt im Kindererholungsheim Strandhafer als Pflegerin an. Sie ist voller Hoffnung, einen Beitrag zum Guten in der Welt leisten und den kranken Kindern dort helfen zu können. Doch schnell stößt sie dabei auf Widerstand: Oberschwester Margot leitet das Heim mit harter Hand, Hanna fühlt sich bald von der strengen Frau drangsaliert. Wie kann solch eine herzlose Person die Aufsicht über kranke Kinder führen? Hanna beginnt zu recherchieren. Dabei stößt sie auf immer mehr erschreckende Ungereimtheiten in der dunklen Geschichte des Heims. Sie muss sich entscheiden: wie gewohnt den Kopf einziehen oder für ihre Überzeugungen kämpfen. Und dafür alles riskieren.“

Verlagstext

Achtung Spoiler!

Zusammen mit ihre Cousine Evi hat Hanna die Ausbildung zur Kinderpflegerin gemacht. Krankenschwester zu werden, würde ihr liegen, aber dem steht ihre Leseschwäche, die sie mühsam zu verbergen versucht, im Weg. Sie freut sich von Herzen darauf, auf Norderney zusammen mit Evi ein Jahr zu verbringen und den Kindern Gutes zu tun.

Hanna hat sich zur Vorbereitung Spiele und Geschichten ausgedacht und hat eine traumhafte Strandzeit vor Augen. Evi interessiert sich von vornerein mehr für Partys und Affären. Es zeigt sich schnell, dass es Evi leicht fällt, die Missstände in dem Kinderheim auszublenden und sich auf ihren privaten Spaß zu konzentrieren. Sie macht die Arbeit eh nur, weil ihr Vater das von ihr erwartet, bevor sie zu Hause ins Lichtspielhausunternehmen einsteigen darf.

Hanna hingehen kann nicht wegsehen, wenn Kinder gequält werden, indem ihnen zum Beispiel gegen ihren Willen Essen und Medikamente verabreicht, Isolationszimmer zur Strafe und nicht zum Schutz der Ausbreitung von Krankheiten verwendet und Kinder mit speziellen Themen selbst vom Personal mit erniedrigenden Spitznamen belegt werden.

Das ist der eine Handlungsstrang: Hannas und Evis Weg. Der andere dreht sich um den Niederländer Jan, der seine Tante Ardie sucht, die bis Mitte Mai 1945 auf Norderney gewesen sein müsste. Das knüpft den Bogen zur NS-Vergangenheit einiger Schlüsselpersonen um das Heim herum.

Wilko, Hausmeister des Kinderheims, kommt weder über den kriegsbedingten Verlust seines Bruders noch seines Vaters hinweg und versucht mit seiner Piratenradiosendung Gegen der Vergessen dafür zu sorgen, dass niemand vergisst, was im 2. Weltkrieg auf Norderney passiert ist. Das damals erlittenes Trauma zieht sich bis heute körperlich und mental durch sein Leben. Schafft er es, sich der Vergangenheit seiner Familie zu stellen und dabei selbst zu heilen?

Besonders gefallen hat mir an dem Roman die bildhafte Sprache, gerade in Bezug auf Gedanken und Gefühle, die im Kopf wie Farben und Geräusche wirken, zum Beispiel bei Rita, einem der Verschickungskinder.

„In Ritas Kopf schwappte eine zähflüssige Masse und begrub sämtliche Gedanken mit satten, schmatzenden Geräuschen, die einfach nicht leiser werden wollten.“

Pos. 2594 im Kindle-E-Book

Die Geschichte hat mich berührt und ich habe den Roman in einem Rutsch durchgelesen. Inhaltlich ist es einerseits schwere Kost, weil es um die Misshandlung von Kindern geht. Anderseits ist es aber auch eine schöne Geschichte, wenn man bedenkt, wie sehr Hanna sich für die Kinder gerade macht und versucht, etwas zu bewirken. Ob Dir der Schreibstil liegt, kannst Du beim Sichten einer Leseprobe fix feststellen.

Am Rande

Interessant finde ich, welchen Bezug die Autorin zu der Geschichte hat: Ihre Mutter war in den 1960er Jahren Kinderpflegerin auf Norderney und war ihr bei der Recherche behilflich.

Meine Mutter war genau in dem Jahr 1962, in dem das Buch beginnt, für ein Jahr in einem ähnlichen Kinderheim in Timmendorfer Strand an der Ostsee, die Mutter einer Freundin ein Jahr zuvor auf Helgoland. Beide habe das Jahr in den Kinderheimen als Hilfskraft verbracht, um die Zeit zu überbrücken, bis sie 18 Jahre waren und damit alt genug für die Ausbildung zur Krankenschwester bzw. Erzieherin.

Das war damals für Frauen ein durchaus üblicher Weg, heute würde man das FSJ nennen. Fans von Norderney werden sich beim Lesen anders in die Geschichte einlesen als welche, die Norderney nicht kennen.

Auf Norderney war ich 1982 für zwei Wochen im Sommer und habe die Zeit dort noch gut vor Augen. 1984 war ich auf Borkum => die Westfriesischen Inseln und ich haben ihre Liebe zueinander bisher nicht gefunden . Ich bin im Team Nordfriesland und deutsche Ostseeküste.

Ist das ein Buch für Dich?

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Lesetipp: Gesünder essen ohne HVL

Werbung – Rezensionsexemplar

Gefährlich lecker von Chris Tulleken

Gefährlich lecker
von Chris Tulleken

Deutsche Erstausgabe
Aus dem Englischen von Daniel Müller, Sven Scheer
Originaltitel Ultra Processed People, Originalverlag Cornerstone Press
Hardcover mit Schutzumschlag, 416 Seiten
ISBN 978-3-453-21847-5
Erschienen am 24. Mai 2023 im Heyne Verlag (Werbung)

„Warum weiß unser Körper genau, wieviel Wasser wir brauchen, wie viel Sauerstoff wir benötigen – aber beim Essen scheinen unsere Systeme zu versagen? Woran liegt es, dass seit einigen Jahrzehnten Übergewicht und Fettleibigkeit auf der ganzen Welt zu einem ernsthaften Problem geworden sind, das mit jedem Jahr schwerwiegender wird?

Chris van Tulleken zeigt einen einzigen Grund auf, der hierfür verantwortlich ist: hochverarbeitete Lebensmittel – sie sind allgegenwärtig und selbst für ernährungsbewusste Menschen nicht ohne Weiteres vermeidbar. Hochverarbeitete Lebensmittel manipulieren unsere Körper – und das ist von der Industrie durchaus gewollt. Ihre Produkte sollen uns süchtig machen und uns dazu verführen, immer mehr zu kaufen und zu essen.

Anhand zahlreicher Studien und mit Hilfe eines dramatischen Selbstversuchs zeigt der Arzt, Wissenschaftler und Familienvater, wie verheerend hochverarbeitete Lebensmittel in unseren Körpern wirken, wie sie rücksichtslos und ungehindert vermarktet werden – und wie wir die Kontrolle über unser Essverhalten und unsere Gesundheit zurückgewinnen.

Verlagstext

HVL ist die Abkürzung für hochverarbeitete Lebensmittel. Am größten ist deren Einsatz in den USA und Großbritannien, aber auch in Deutschland finden sich Unmengen davon in den Haushalten und Läden. Eben war ich im Discounter einkaufen und habe mir die INCI von verschiedenen Marmeladen und Joghurts mal wieder genau angesehen. Preis, Marke oder ein Bio-Siegel spielen dabei keine Rolle.

„Wenn es in Plastik verpackt ist und mindestens eine Zutat enthält, die man nicht in einer normalen Haushaltsküche findet, handelt es sich um ein HVL.“

Vereinfachte Definition von HVL, Seite 17

Eine Orientierung zur Einordnung von Lebensmitteln gibt die NOVA Lebensmittelklassifikation, die Lebensmittel nach Art, Umfang und Zweck und Grad der industriellen Verarbeitung in vier Gruppen einteilt (vgl. Seite 52/53)

  1. Unverarbeitete oder kaum verarbeitete Lebensmittel, die in der Natur zu finden sind. Darunter laufen Fleisch, Obst Gemüse, Gemüse, Mehl, Nudeln.
  2. Verarbeitete Zutaten für die Zubereitung von Speisen. Das sind zum Beispiel Butter, Zucker, Salz, Essig, Honig oder Stärken. Aus einer Kombination von Produkten der Gruppen 1 und 2 lassen sich ordentliche, schmackhafte Speisen herstellen.
  3. Vorproduzierte Mischungen aus den Gruppen 1 und 2, die in erster Linie für die Konservierung verarbeitet werden. Das sind Dosenbohnen, gesalzene Nüsse, Räucherfleisch, eingelegtes Obst und frisches Brot.
  4. Hochverarbeitete Lebensmittel, die Inhaltsstoffe enthalten, die im Wesentlichen ausschließlich in der Industrie verwendet werden. Bei deren Herstellung kommen industrielle Verfahren zum Einsatz, von denen viele aufwändige Gerätschaften und Technologien brauchen. Darunter fallen beispielsweise Kartoffelchips, Tiefkühlpizza, Softdrinks oder Tütensuppen.

Im Einzelfall sind sich Wissenschaftler nicht immer ganz einig, in welche Kategorie ein Produkt gehört. Das spielt für mich keine Rolle, weil ich in der Hinsicht keinen Perfektionismus anstrebe.

Es gibt HVL in günstigen und hochpreisigen Produkten. In Bioprodukten kommen unnötige Zusatzstoffe genauso vor wie in konventionellen Lebensmitteln. Wobei unnötig relativ ist: Der Hersteller findet sie vielleicht nötig, um seine Marge zu erhöhen und die Menschen dazu zu bringen, noch mehr davon haben zu wollen. Aus gesundheitlicher Sicht sind viele Stoffe überflüssig oder sogar schädlich.

Seit 2013 versuche ich im Rahmen der Fokussierung auf Clean Eating mit möglichst wenig verarbeiteten Lebensmitteln zum Beispiel Emulgatoren, kalorienarme Süßungsmittel, stabilisierende Pflanzengummis, Feuchthaltemittel, Aroma- und Farbstoffe, Festigungsmittel, raffinierte Pflanzenöle und ähnliches zu vermeiden – oder wie der Autor so treffend zusammenfasst:

„Stoffe, die man eigentlich gar nicht als „Lebensmittel“ bezeichnen kann.“

Seite 16

Eine Zeitlang bin ich dabei immer recht konsequent, vieles wird dauerhaft beibehalten, manches immer mal wieder überprüft. Wir haben deshalb zum Beispiel seit 2020 anderes Brot, Senf, Tomatenmark und Marmeladen als vorher. Dann lachte mich der frische Bio-Hefeteig an und schon wieder waren Zusatzstoffe in meinem Bauch, die ich da eigentlich nicht mehr haben wollte.

Stattdessen habe ich eben frische Hefe gekauft für die nächste Pizza. Auch Trockenhefe enthält bei einigen Herstellern mehr als nur Hefe – just learned. Bis Du verinnerlicht hast, welche Produkte sauber sind, hilft nur einkaufen mit Lesebrille für das Kleingedruckte.

Dabei ist wirklich jedes einzelne Produkt genau anzusehen, denn ein Blaubeerjoghurt kann vom selbem Hersteller zum Beispiel weniger Zusatzstoffe haben als ein Granatapfeljoghurt. Die Granatapfelkerne sollen ja schließlich schön verteilt im Joghurt schweben. Schlagsahne verschiedener Hersteller und Fettstufen hat unterschiedliche INCI. In den meisten ist leider nicht nur Sahne, sondern mindestens auch Carrageen als Bindemittel. Schlagsahne ohne Bindemittel hat eine dicke Fettschichtablagerung unterm Deckel und spritzt beim Schlagen viel mehr als welche mit Bindemittel. Dennoch kaufe ich künftig lieber welche ohne, weil mir jetzt erst klar wurde, was Carrageen ist. Ich hielt es für Stärke, ist es aber nicht.

Das ist das Gute an dem Buch: Auch wenn man sich mit der Thematik durchaus schon mal beschäftigt hat erinnert es einen daran, sich wieder noch konsequenter darauf zu besinnen. Für wen das Thema neu ist, steht vieles drin, was ein gewisses Entsetzen hervorruft.

Einziger Nachteil an dem Buch für Endverbraucher: Es ist teilweise recht wissenschaftlich geschrieben. Es ist kein locker-flockiger Unterhaltungstext, sondern um das Buch mit Spaß zu lesen, ist ein gewisses Interesse an wissenschaftlicher Arbeit durchaus von Vorteil, auch wenn das Buch Anekdoten aus dem Leben des Autors enthält.

Für mich hat sich es gelohnt, so ein Sachbuch zu lesen, wenn ich hinterher auch nur Kleinigkeiten im meinem Leben dadurch verbessere. In diesem Fall sind es konkret

  • bei möglichst unverarbeiteten oder wenig verarbeiteten Lebensmitteln zu bleiben, die aus Zutaten bestehen, die sich regelmäßig in unserem Haushalt befinden.
  • Pizzateig und Baguettes wieder mit frischer Hefe selbst herzustellen. Bei dem Blick auf die Verpackung des Aufback-Ciabattas aus dem Supermarkt wurde mir nämlich ganz anders. Ich backe künftig lieber wieder ein Baguette auf Vorrat und friere es ein.
  • Bei Fetten im Haushalt weiter nur auf Butter und kaltgepresstes Olivenöl zu setzen. Wenn man Butter und Olivenöl mischt, kann man es auch gut zum Braten verwenden. Rauchendes Fett vermeide ich eh. Mein Sodom und Gomorrha bleibt Bio-Palmöl in meiner Nuss-Nougat-Creme. Beim Palmöl ist neben dem Anbau ungut, dass es recht stark verarbeitet wird, bevor es genießbar ist. Das hat es allerdings mit Sonnenblumenöl gemeinsam, was alternativ in solchen Cremes verwendet wird und damit auch nicht besser ist.
  • Anstelle von Soja Cuisine werde ich wieder auf Schmand und Schlagsahne ohne Zusätze zurückgreifen. Auf Soja Cuisine hatte ich umgestellt aus CO2-Gründen, weil sie fettärmer und ergiebiger ist und es phasenweise schlichtweg keinen Schmand im Discounter gab. Mir war immer klar, dass Schmand ohne jegliche Zusatzstoffe gesünder sein dürfte, aber die Nebenwirkungen der HVL waren mir nicht in der ganzen Konsequenz bewusst.

Besonders gut gefällt mir bei Chris van Tulleken, dass er seine Sichtweise weder als absolut noch als für immer gültig darstellt. Er führt seinen aktuellen Wissensstand vor Augen und versucht die Erkenntnisse einzuordnen und Handlungen für sich und Empfehlungen für andere daraus abzuleiten. Gleichzeitig weist er darauf hin, was für Ernährungs- und Diätirrtümern er selbst als Arzt schon in der Vergangenheit aufgesessen ist.

Dieses Buch ist ausdrücklich weder ein Abnehm- noch ein Diätratgeber. Es geht lediglich um Arten von Lebensmitteln, was HVL in unseren Körperzellen anrichten können und wie wir vielleicht die Chance haben, eine genetische Vorliebe für HVL auszutricksen, indem wir bewusst damit umgehen und versuchen, uns gesünder zu ernähren – und auf dem Weg vielleicht auch schweres Übergewicht zu vermeiden.

Wie gehst Du mit HVL um?